BERLIN W KURFÜRSTENSTRASSE 81
16 Mai 1882
Hochverehrte Frau Doctor
verzeihen Sie, wenn ich Ihre freundlichen Zeilen vom 10n erst heute beantworte. Mein Kollege, Geh. Rath Göppert, welcher die Angelegenheiten der Bibliothek im Ministerium bearbeitet, ist inzwischen schwer erkrankt (er liegt an einer Lungenentzündung darnieder u ist in der größten Gefahr was mir auch persönlich sehr nahe geht) – so dß ich mich im Ministerium erst anderweit unterrichten mußte. Wenn Sie fragen, ob ich beauftragt war, Ihnen ein Gebot von 15 000 M. zu machen so muß ich mit Nein antworten. Der Herr Minister würde nicht angestanden haben Ihnen ein Gegengebot zu machen wenn er nicht durch die neulich dargelegten Umstände gezwungen gewesen wäre dasselbe auf 15 000 M. zu beschränken u dazu konnte er sich nicht entschließen. Sie fragen alsdenn, was Sie sagen können in Bezug auf das Scheitern dieser Angelegenheit. Da möchte ich dringend bitten sie noch nicht ohne Weiters als gescheitert zu behandeln. Alle zunächst Betheiligten haben das lebhafteste Interesse die Mscpte für unsere Bibliothek zu gewinnen, u ich verzweifle nicht daran dß es gelingen könne, auf den Finanzminister eine indirecte Einwirkung auszuüben; Joachim hat dazu schon Schritte gethan. Ich sehe sehr wohl ein, wie erwünscht es Ihnen sein muß, die ganze Frage nicht ins Unbestimmte hinausgeschoben sondern bald erledigt zu sehen – Aber da Ihnen die Berliner Bibliothek die erwünschteste Stätte für die Handschriften ist, so ist vielleicht gerechtfertigt, wenn Sie zu dem Versuche diesen Wunsch zu erfüllen noch einige Frist gönnen möchten. Meiner Frau, der es Gott sei Dank gut geht, wenn sie sich auch nicht eben schnell erholt, empfiehlt sich Ihnen aufs Herzlichste. Mit wahrer Verehrung
Ihr ganz ergebener
Schöne
|