KLEIN-TIMMENDORF BEI PANSDORF.
12. Sept. 89.
Hochverehrte liebe Frau Schumann
auch ich kann bei der Wiederkehr des morgenden Tages, der am Ostseestrande mich alljährlich in inniger Liebe und Verehrung Ihrer gedenken läßt, nicht stumm bleiben. Wenn auch schüchtern inmitten Aller derer die es verstehen in würdiger Weise Ihnen morgen zu nahen verlangt es mich, doch auch meiner Freude Ausdruck zu geben. Es ist ja so herrlich daß wir Sie unter uns haben liebste Frau Schumann in Ihrem ganzen lieben Sein und Wesen mit Ihren reichen Gaben und Ihrer Güte und Liebe, wer davon hat etwas erfahren dürfen dem schwillt das Herz und er bittet Gott Sie hier und allezeit zu segnen. Was mag in diesen Tagen Alles Sie bewegen im Rückblick auf ein langes Leben reich an Freude und Schmerz. Sie haben mir zuweilen vergönnt theilzunehmen an Ihren Erfahrungen, auch an dem Schweren das Ihnen Kummer und Sorge bereitet, doch aber hoffe ich Freude und Dank muß immer mehr die Oberhand gewinnen, Sie haben zu Gottes Ehre und zu Nutz und Frommen nicht blos der Ihrigen sondern wie Sie berufen waren, für Unzählige gelebt und gewirkt, da dürfen Sie wohl sagen daß das Leben voll Mühe und Arbeit köstlich gewesen ist. Möchte es Ihnen nun doch noch recht gut gehen mit den Ihrigen, hoffentlich sehen wir Sie in diesem Winter wieder in Berlin, unvergeßlich bleibt mir die Erinnerung an die Tage Ihres letzten Dortseins. Könnte ich doch morgen von Ferne Sie einmal sehen, wie bevorzugt sind die, die Ihnen persönlich ihre Wünsche bringen können. Sie werden lange brauchen Alles zu bewältigen u. zu überfliegen, aber es fehlt Ihnen nicht an freundlicher Hülfe. Es ist hier nicht der geeignete Platz von uns zu reden, aber nur soviel daß mein Mann leider hier in den Wochen seines Urlaubs recht krank war und nicht die Erholung fand die er so sehr bedurfte. Eine heftige Ohrenentzündung von Georg hat ihn dann auch noch sehr erschreckt und angegriffen und mich hinüber gerufen für einige Tage. Nun aber geht Alles besser mein Mann hofft noch für kurze Zeit nach Paris zu reisen ich bleibe mit Johanna und Clara bis Ende September hier dann ist auch Hermann zum 1. Oktober frei und sein Dienstjahr vollendet. Frau von Holstein hatte uns erst Hoffnung gemacht sie auch in diesem Sommer bei uns hier zu sehen nun ist sie aber doch leider verhindert. Georg ist plötzlich ein ganz großer Mensch geworden, verzeihen Sie daß ich noch einmal davon anfange, aber ich möchte Ihnen doch ein Wörtchen von ihm sagen; er kommt jetzt nach Sekunda und hat im Sommer schon mit einigen Knaben Konfirmationsunterricht bei von der Golz begonnen, der ausnahmsweise mit seinem eignen Sohn einige Knaben Pfingsten 1890 einsegnet. Es ist so intressant die Entwicklung der Kinder zu verfolgen wie viel versagen sich Eltern die ihre Kinder außer dem Haus erziehen lassen. Erst indem man es selbst erlebt erkennt man die Fülle dessen was es in sich schließt. Meine kleinen Mädchen Johanna und Clara möchten Ihnen auch Ihre Grüße senden, recht herzlich grüße ich auch Ihre lieben Töchter.
In wahrer Verehrung denkt
Ihrer hochverehrte Frau
Ihre sehr ergebene
Helene Schöne.
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