23.01.2024

Briefe



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ID: 19475
Geschrieben am: Mittwoch 09.02.1859
 

Dresden d. 9 Febr. 1859.

Meine theure Clara!
Dein Brief hat mich allerdings tief ergriffen und herabgestimmt, denn er hat Pläne und Hoffnungen zerstört; und obgleich ich daran gewöhnt sein sollte, denn welche Hoffnungen wären mir in meinem Leben in Erfüllung gegangen, so thut es doch immer wieder weh. Ich weiß wie gut und treu Du es mit mir meinst, und von Deinem Standpunkt aus, hast Du vollkommen Recht und sei überzeugt, es waren schwere Kämpfe die ich durchgekämpft, ehe ich zu dem Entschluß kam, meinen Genius der Öffentlichkeit wieder Preis zu geben. Aber es giebt eben Verhältnisse im Leben, deren Macht man sich beugen muß. Wenn wir uns wiedersehen,|2| und ich hoffe das soll recht bald sein, dann will ich Dir die Geschichte der letzten 10 Jahre meines Lebens erzählen. Nun eine Frage. Wie ich von Bendemann’s höre, wirst Du Anfang März hier in Dresden sein. Willst Du dann für mich in einem Concert spielen? Ich werde von allen Seiten gedrängt und man wünscht lebhaft nochmals Lieder von mir gesungen zu hören. Denn weder will man solche von der Ney noch von der Krall hören, trotz der schönen und jugendlichen Stimmen. Wie Du erfahren haben wirst, habe ich hier bereits 4 Mal öffentlich gesungen und bin mit seltenem Enthusiasmus aufgenommen worden. Auch die bessre Kritik lässt mir alle Gerechtigkeit wiederfahren und lege ich Dir hier einige Blätter bei, aus denen Du sehen kannst, welchen Ein-|3|druck ich gemacht habe. Die Wahrheit dringt doch immer durch und übertönt gar bald das Bellen unbezahlter Hunde, deren es gerade hier in Dresden die allerräudigsten giebt. Du hälst doch gewiß auch auf das Urtheil Deines Vaters; frage ihn, wie ich gesungen habe, und wie meine Stimme, im gesunden Zustand, beschaffen ist. Leider bin ich nun, in der. <L>letzten Zeit wieder sehr unwohl gewesen, und habe darum das Concert in Leipzig, was morgen stattfinden sollte, absagen müssen. David schreibt mir nun heute, daß man es um 14 Tage verschoben hat, da man es ohne mich nicht geben will. Falle ich nun in Leipzig nicht durch, so will ich auch dort ein Concert geben, und ich hoffe auch da auf meine Clara. Ich werde Dir mündlich sagen, um was es sich dabei handelt. Noch |4| Eins. Du bist mit Joachim innig befreundet – würde er es mir wohl abschlagen, wenn ich ihn einlade hier in meinem Concert zu spielen? Ich bitte Dich mir darüber recht bald Deine Ansichten zu sagen, so wie auch mich wissen zu lassen: wann Du hierher kommst, und ob ich auf Deine Mitwirkung rechnen kann, denn dann würde ich meine Anordnungen so bald als möglich machen. Zürne mir nicht theure Clara, daß ich Dich wiederholt mit meinen Anliegen plage. Nach Wien komme ich nun auf keinen Fall.
Antworte mir bald, denn ich will nun in 8 Tagen nach Leipzig.
Mit treuer Liebe und Verehrung
umarmt Dich Deine
Wilhelmine.

  Absender: Schröder-Devrient, Wilhelmine, in 3. Ehe verh. Bock, Wilhelmine (1405)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
481ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 1,267
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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