23.01.2024

Briefe



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ID: 19504
Geschrieben am: Donnerstag 18.08.1859
 

Am 18 August. 1859.

Nun ist es aber Zeit Ihnen zu schreiben, liebe Frau Schumann, sonst
reisen Sie am Ende von Wildbad nach Deutschland,und berühren die
Schweiz nicht unter dem Vorwand daß Ihre Freunde Sie nicht dazu aufgefordert. Ach du mein Gott! Wäre nur Tannenfels mein Eigenthum! Alle müßten hinaus, damit Sie und Ihre lieben Kinder herein könnten! Doch es ist unmöglich auf einige Zeit, also wollen wir uns mit dem Gedanken trösten daß Sie nahe bei uns in Luzern, in der Pension Tivoli|2|wohnen werden, u ich dann mehr bei Ihnen seyn darf als zu Hause: Tivoli scheint mir der geeignetste Ort für einen kurzen Aufenthalt; unweit der Stadt, am See, kalte Bäder vor der Thüre, hübsch eingerichtete Bade-Zimmer, einfache Kost u prächtige Aussicht! Was will man mehr? Daß Kirchner auch nach dem Berner Oberland mitreist ist mir sehr lieb. Besser zwei Cavaliere als einer, u die Unterhaltung wird auch lebhafter werden, sintemal ich zuweilen in den Bergen, wie hier z.B. sehr träumerisch werde u folglich, schweigsam. Sie lachen |3| mich im Ende aus wenn ich so mit Ihnen rede; mein Gott, es hat jeder sein schwarzes Kämmerlein, u die schöne Natur stimmt mich jetzt mehr als je, recht wehmüthig. Ich schwärme auch oft u lange in den Lieblings-Liedern u ziehe auch meinen jungen Bruder Franz mit hinein, was Ihm nicht unangenehm zu seyn scheint. Er beißt recht tüchtig an, studirt besser u viel. Er freut sich ungemein Sie wieder einen Dreyklang anschlagen zu hören; Sie haben ihm in einer halben Stunde sehr genützt, liebe Frau Schumann, wofür wir beide recht dankbar sind. – Auf dem Rigi bin ich zwei Mal gewesen, habe aber noch keinen Aufenthalt dort machen können; Mutter |4| u Schwester Cécile sind in Bad Seewen, im Canton Schwyz, am Fuß des Rigi, zwischen Lowerz und Brunnen, unweit des berühmten Rossberg der 1806 das Dorf Goldau begrabte, ein trauriger Anblick. – Wären Sie jetzt frei gewesen wären Sie jetzt in der Schweiz, es hätten sich 3 Zimmer für Sie frei gefunden! Doch auf mehrere Stunden wollen wir Sie dennoch hier haben. Sie reisen bis Basel, übernachten dort, oder bis Zürich, u kommen dann gegen 9 Uhr bei uns an. Bei Tisch ist immer Raum, u Ab. geht ein Zug noch sehr spät nach Luzern. – Von Joachim hab’ ich nichts gehört. Nun Adieu, seyn Sie mir nicht böse wenn ich von unserem großen Liebling als den Ihrigen erwähnte, es war ja nur musikalisch gemeint; anders läßt es sich mich gar nicht denken; <–>(eine überflüßige Erklärung nach Ihrem lieben Brief. Ihr ergebenster Freund u Verehrer
J Stockhausen

Ich bleibe September in der Schweiz, besonders wenn Sie kommen! –

  Absender: Stockhausen, Julius (1547)
  Absendeort: o. O.
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
535ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 1,275
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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