23.01.2024

Briefe



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ID: 19507
Geschrieben am: Sonntag 24.07.1864
 

Colmar, 24 July. 1864.

Liebe Frau Schumann,
Ich bin ein schlechter Correspondent, ich weiss es, u doch hab’ ich so grosse Freude wenn ich Briefe bekomme, u noch grössere wenn Sie meinen Geburtstag nicht vergessen! Warum leben nicht Freunde, Musicanten zusammen in einer kleinen Republik, u haben Haus u Clavier gemeinsam, u vertreiben nach u nach alle die schlechte Musik machen u schreiben – so vereinzelt richtet man doch wenig aus, aber vereint |3| was müsste man für eine Kraft ausüben! Man würde auch zuweilen ausrücken, gegen den Feind marchiren u erobern, aber – nun ja damit schliesst’s doch immer. Das fatale Aber! Wir kommen zwei, dreimal im Jahr zusammen, schwelgen in Musik wärend einiger Tagen [sic] u dann – aus ist’s. Es ist das Traurigste was es giebt für Künstler! Und noch dafür in so einem Nest wie Colmar! Und doch! Ich habe einen solchen Lebensmuth, einen solchen Drang nach Arbeit daß ich auch hier den Tag ausfülle: Wenn’s mich dann gar zu sehr juckt was zu hören nehme ich ein 4. h. Stück unter’n Arm |2| u gehe zu unserm wackeren Dilettanten Sandherr. Der frisst wahrhaftig Noten, sogar Brahms Variationen über ein Es dur Thema, aber wie’s eben geht wenn man zu schnell schluckt – Sie verstehn! Clärchen sitzt da u hört, u sieht so wohl aus nach dem Unwohlseyn daß sie nicht nach St. Maurice will. Sie behauptet das Fahren sey ihr nicht gut u das Essen schmecke ihr nicht, u sie wolle nicht auf hohe Berg [sic], sondern mit den Eltern bei Zürich bleiben so kommt es denn daß ich mich fügen muss |4| weil ich ihre Gründe triftig finde u Ihnen glaubt’ ich es mittheilen zu müssen, da wir hofften mit Ihnen zu reisen. Bestellt hab’ ich schon in St. Maurice u. Zusage bekommen. In einigen Tagen fahren wir nach Zürich. Hat Kirchner geschrieben?
Bei ihm hofft ich Briefe nein 2 Zeilen von Ihnen zu finden um zu erfahren wann Sie durchreisen. Vom Wasser u von der Luft in St. M. höre ich Wunderdinge. Gehn Sie also hin! Ist es nicht schändlich daß Clara nicht hinwill? Machen Sie ihr nur einen ordentlichen Lex! Aber zuletzt einige freundliche Worte die uns sagen daß Sie recht lieb haben
Die Stockhäuser

an alle Ihre l. Kinder noch viele Grüsse. Welch einen Schatz haben Sie an Ihrer Tochter Marie!

  Absender: Stockhausen, Julius (1547)
  Absendeort: Kolmar
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
632f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 2,112
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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