23.01.2024

Briefe



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ID: 19509
Geschrieben am: Dienstag 03.07.1860
 

Paris, 3 July. 1860.

Liebe Frau Schumann!
Hier sitze ich noch und habe meine Effecte nicht bekommen, Cordonnier und chemisier sind gens sans parole. Aufrichtig gesagt ist es aber ein Glück denn ich habe meine Bekannten noch lange nicht alle aufgesucht und brauche noch mehrere Tage dazu; ich hoffte aber Donnerstag um 5 Uhr abreisen zu können u wäre sodann Freitag früh in in Kreuznach gewesen aber vor Samstag wird es schwer zu machen seyn; Gouvy habe ich auch versprochen ihn zu besuchen, also |2| ist mein Kommen noch verspätet u kann nichts Bestimmtes darüber berichten. Doch bitte ich Sie, liebe Frau Schumann, die Güte haben zu wollen bei Trautwein’s zu berichten oder vielmehr berichten zu lassen daß ich das Logis als das Meine vom 1. July an betrachte. – Heute wurde der Onkel (Jerome Bonaparte) der ex-König von Westphalen &c &c &c &c &c &c &c begraben, es war ein großartiger Zug u Sie hätten die ganze Pariser Garnison, circa 45 000 Mann zu Fuß u zu Pferd sehn können. Doch gratuliren Sie sich daß Sie es nicht mit angesehn haben. |3| Danken Sie Ihrem gütigen Gott daß Sie ruhig mit den Ihrigen in †nach sind! Seit Gestern ist es hier warm geworden, u der Staub flog Heute in aller Früh in der <>Luft herum so zahlreich war die Menschenmenge! Es war wirklich beängstigend u man mußte seine 5 Sinne zusammen nehmen. Gestern speiste ich mit Herrn Goeschen Frl. Charlotte u Frl Fanny u Stephen Heller, ich dachte oft Ihrer u wünschte Sie im kleinen Comité als siebte im Bunde zu sehn! Nach Tisch spazirten wir hinaus in die Champs Elysées zu Musard wo viel fashionable Welt sich Abends versammelt u hörten Musik mit Accompagnement |4| von Gläser-Geklirr! Der Mond gieng mit, die Luft wurde kühl! Es war ein herrlicher Abend! Der erste Sommerabend im Jahre 1860. Die älteste Tochter des H. G. hat die Institutrice kürzlich nach †nach gebracht, blieb aber nur einen Tag dort, haben Sie sie zufällig begegnet? Sie wußte nichts von Ihrem Dortseyn.
Ich hatte gerne wieder Nachricht von Ihnen gehabt u vernommen daß es Ihnen besser geht, dass Sie weniger schwermüthig u recht dankbar dem Schöpfer sind für Alles Schöne u Gute was Ihnen geblieben. O! daß Sie das recht erwägen wollten eh’ Sie sich <> grämen. Wie schön die Welt, wie schön die Kunst wie schön die ewige Harmonie! wie schön die Liebe zu den Kindern u die gegenliebe der Kinder Wie gut, wie unentbehrlich & wohlthuend die Freundschaft nach langen, langen Schmerzensjahren. Nicht Sie allein haben das gemacht liebe Künstlerin; es giebt noch Argeres: es ist eben so hart 8 Jahre lang unglücklich lieben u zuletzt hören müßen: wir müßen scheiden. Adieu! – Ja es ist noch härter als geliebt seyn u mit 7 gesunden Kindern von Erinnerungen leben! Sie haben noch ein schönes Loos u sollen sich freuen u dankbar seyn! u das wird Sie heben, Ihnen Muth geben u Sie wieder gesund machen! Glauben Sie’s Ihrem
treuen Freund Stockhausen

Mit vielen vielen Grüßen an die lieben Ihrigen.

  Absender: Stockhausen, Julius (1547)
  Absendeort: Paris
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
542ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 2,12
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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