Hamburg 25 December 1866.
Liebe Frau Schumann,
Ich habe endlich einige Tage Ruhe und kann wieder schreiben. (Gretchen schreit aber so sehr daß ich nachsehn muß denn die Mutter ist drüben bei Meyer’s) – ’S ist nichts! Eben Kindergeschrei! Sie haben mir wieder eine große Freude bereitet. Sie haben meiner Frau erlaubt die Genoveva Partitur abschreiben zu laßen u ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Daß ich die Bedingungen |2| die Sie daran knüpfen halten werde bezweifeln Sie doch nicht. Wem sollte ich hier die Partitur anvertrauen? Fertig ist der Copist nicht geworden, nur zwei Drittel hat er vollendet. Haben Sie noch ein wenig Geduld mit uns; wir schicken Ihre Abschrift so bald wie möglich. Wie es uns in musikalischen Dingen ergangen haben Sie wohl durch Frl. Wagner gehört. Ich habe einen großen Mißgriff mit „Peri“ gethan indem ich kleine Partieen sang u Boie die Direction überließ. Es soll nicht wieder vorkommen. Ist meine Lage |3| zuweilen nicht peinlich? Wer soll den sterbenden Jüngling, wer namentlich das herrliche Bariton-Solo singen? – Doch beßer zwei Stellen halb interpretiren als das ganze Werk mangelhaft aufführen. Mit unsern Abend-Unterhaltungen hat es gut gegangen. Nur sind die Einnahmen nicht so ausgefallen wie ich mirs dachte. Ich hätte sonst wiederholt bei Ihnen angefragt ob Sie unserm unbefangenen 12-Shillingspublicum die Große Freude bereiten würden zu spielen. Aber nun kommen Sie wohl nicht mehr in unsere |4| Nähe. Sollten Sie aber nach Schwerin od. Hannover reisen so erlaube ich mir anzuzeigen daß am Dienstag d. 8 u Dienstag d. 22 zwei Abendunterhaltungen stattfinden u das [sic] es ein wahres Fest für uns Musici wäre, (für das Publicum nicht minder) <wenn> <Sie>wenn Sie uns einen Abend schenkten. Wir kommen nicht zu einem schönen Claviervortrag. Franz ist ängstlich u hat wenig Sicherheit in den Fingern, Kleinmichel spielt noch wüst, unreif wie ein rechter Conservatorist u Niemann ist kalt wie Schnee. – Nun holen mich Meyers zu einem unvermeidlichen Besuch ab! Adieu! Schreiben Sie mir nur zwei Zeilen um mir zu sagen dass Sie noch ein klein wenig Anhänglichkeit für mich <finden>haben. Ich komme mir hier ganz verlaßen vor.
Ihr treuergebener
Sänger.
Ich singe am 29 in Erfurt. Was sagen Sie zu Joachims Triumphzug? Veni, vidi, vici kann der Imperator des Violinspiels, der Mensch sagen. Wie wohl thut das dem Musikerherz!
Die besten Grüße an Frl Leser, Frl Marie und Familienumgebung.
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