23.01.2024

Briefe



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ID: 19517
Geschrieben am: Sonntag 30.06.1867
 

Colmar 30 Juny. 1867.

Liebe Frau Schumann,
Wenn man Frau u Kinder hat und drei Schüler dazu bleibt nur ein Mittel der Correspondenz gerecht zu werden: früh aufstehn u vor dem Frühstück eine oder zwei Stunden Briefe schreiben. Das thu’ ich nun seit drei Tagen und hoffe nach u nach alle alten Sünden wieder gut zu machen. Ob ich aber von <A>allen Absolution bekomme? Ich glaub’ es kaum, denn einige sind sehr schwere. Und so hoff ’ ich auch von Ihnen, gute u treue |2| Freundin öfter zu lesen und musikalisch etwas fleißiger mit Ihnen zu correspondiren. Heute aber muß ich mich begnügen zu danken für beide Briefe u den nachgesandten. Wir haben alles pünktlich erhalten u auch gleich an Bruder Franz geschrieben er möchte seine Episteln nach Colmar addreßiren. Die Eltern habe ich recht wohl getroffen; den Vater viel ruhiger als ich hoffen durfte. Clara’s Anwesenheit ohne den Mann, wie letztes Jahr die Meine ohne Clara, hatte ihn gereizt; daß auch ich Baden aufgeben konnte |3| u zu den Kindern eilte, hat er mir hoch angerechnet. Von Religion spricht er, Gott Lob, nicht mehr u doch ist es, bekanntlich, sein liebstes Thema. Das rechnen wir ihm noch höher an, u so scheint der Friede in’s Haus gezogen zu seyn. Nur die Kinder machen ihm zu viel Unruhe, zu viel Lärm. Er ist alt u sehr schwach. Der Geist hält ihn nicht aufrecht, er kann nicht mehr kämpfen, u unterliegt eben gleich. Gott bewahre uns vor solchem Ende. Körperlich ist er recht wohl. Er isst, trinkt u schläft wie jeder andere Mensch. Die Beine aber wollen ihn nicht mehr weit tragen und das macht ihn, den wackeren Fussgänger, recht verdrießlich. Lieber am Pult sterben! Etwa mit der Neunten |4| oder später bei Manfred, bei der Genoveva, wenn ich einmal das Theater bekomme, als so langsam dahinsiechen. Und nun zum Schluß einen recht herzlichen Gruß von meiner Frau. Sie hat Baden so lieb gewonnen daß sie mich quält im September wieder hinzuziehen. Ich glaube wir sollten die hiesige Wohnung aufgeben u alle Meubles dorthin schaffen. Ich könnte mir im Sommer in Baden mit Schüler u Schülerinnen viel Geld verdienen u dabei doch die nöthige Erholung finden. Was meinen Sie zu dem Projekt? Fünf Monate könnten wir dort zubringen! Doch für heute genug. Wir machen eine Partie in die Vogesen, um 7 1/2 ist der Wagen bestellt. Adde! u hoffentlich auf Wiedersehn in od. bei Zürich! Lockt Sie Frithjof nicht ein klein wenig?

Mit herzlichem Gruß
Ihr Sänger St.

Viele, viele Grüße den lieben Ihrigen allen. Die Trocken-Amme bleibt. Es waren zwei Landsleute, deren Accente sie verlockt hatten. Hier versteht sie die Menschen nicht; selbige verstand sie nur zu gut, aber es war eben nur Freude an heimathlichen Klängen!!!
Viel Dank der Frau Cossmann für ihr freundliches Anerbieten.

  Absender: Stockhausen, Julius (1547)
  Absendeort: Kolmar
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
670ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 2,214
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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