23.01.2024

Briefe



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ID: 19529
Geschrieben am: Dienstag 27.05.1862
 

27. May 1862.

Liebe Frau Schumann!
Warum sind Sie so melancholisch? Plagt Sie Ihr<e> Rheumatismus so arg oder plagen Sie die Kinder, oder gar die Freunde? Sie schienen in Paris so munter zu seyn was ist denn paßirt? Allerdings kann ich mir’s hart denken für sieben Kinder den ganzen Sommer wieder zu sorgen; das schöne Pariser Geld muß wieder ausgegeben werden! O die Moneten! Könnte man nicht ebenso gut mit Steinchen kaufen? Es ist ja alles conventionell; Gold wächst auch in der Erde; es giebt nur leider mehr Steine als Gold! |2| Dank tausend Dank für den Manfred! Ich hörte ihn en tout in Hamburg aber nicht gut u freue mich später die Partitur zu studiren! Jetzt geht es noch nicht. Elias hat mich wieder angestrengt =griffen. Die Chöre u auch Reiter ließen sich durch die Hitze ermatten u ich konnte die BaalsPriester gar nicht in Wuth bringen. Reiter stand den ganzen Abend da mit dem Stecktuch in der linken Hand, wedelte mit dem Stock in der Luft herum immer 2/4 Takt schlagend oder verkürzten 3/4 Takt, u obendrein sich die Stirne stets abwischend[.] Es war ein schrecklicher Anblick u ich wurde ganz toll u sogar heiser vor innerer Aufregung. |3| Was so ein lahmer, gleichgültiger Dirigent vermag! Ich denke mir immer „wenn du Mendelssohn gekannt hättest u hättest den Elias unter seiner Leitung gesungen du hättest ihn nicht mehr mit anderen aufgeführt![“] Meine Pläne richte ich begreiflich nach den Ihrigen ein, nur hoffe ich nicht daß Franz meine Begleitung in Carlsbad braucht! Das wäre fatal denn seine Ferien fallen glaube ich Ende July. Morgen oder Uebermorgen fahre ich nach Zürich um Hüny zu sprechen. Segesser will, wie Sie wissen ein neues Instrument kaufen u ich und Kirchner sollen es aussuchen. Aber Theodor ist nicht zu finden! Wo er nur stecken mag? Gestern wollte |4| ich auf den Rigi; es sind schon Gäste oben, aber der Nebel ist nur zu dicht; ich warte einen schönen Tag ab. – Sonntag hatten wir ein Pick-nick auf Tannenfels mit Riggenbachs u Walters! Reiters konnten nicht mitmachen! Es war sehr lustig[.] Wir kochten selbst; nur Emile12 u ich waren Herrn des Hauses denn die Eltern sind noch bei der Schwester in Colmar. Adèle geht es besser; sie war todtkrank u hat uns große Angst gemacht! Sie ist Gottlob außer Gefahr! – Ich hoffe nach Cöln zu reisen u würde Sie gerne in Münster a. St. besuchen. Ob wohl Brahms sicher nach Cöln reist? Ich bezweifle es noch. Grimms gehn hin wie sie mir sagten! Nun, wir sehn uns hoffentlich bald im Nahethal u wollen das Weitere dann besprechen. Schreiben Sie aber sehr bald an Segesser (ganz richtig!) Rigi Kaltbad Canton Luzern. Er muß bei Zeiten wissen wann Sie kommen.
Mit herzlichem Gruß an Alle
Ihr ergebenster Freund
Stockhausen

Frau Schlumberger wird sich sehr freuen Ihre Pläne zu vernehmen!

  Absender: Stockhausen, Julius (1547)
  Absendeort: Luzern
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
565ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 2,45
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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