Kilchberg Zürich. 24 July. 1863
Bei D: Obrist
Ihr Gruss war um so erfreulicher liebe Frau Schumann, als Sie, Kirchner u. Ihre Töchter die Einzigen waren die mir gratulirten! Weder Vater noch Mutter, noch Brüder oder Schwestern (Adèle kam ein Tag später) weder sonstige Freunde oder Freundinnen hatten daran gedacht, & von meinen Eltern hatte es mich, ich gesteh’s, etwas überrascht. Aber sie meinen es doch alle gut! Wer aber daran denkt der schreibt sich ganz besonders deutlich & schön ins Herz hinein, & es haben die Namen Clara, Marie, Julie u. Theodor ein besonders Plätzchen darin bekommen. Dank, Tausend Dank für die zarte Aufmerksamkeit. – Nun lassen Sie mir Ihnen sagen wo ich Ihre|2| Depesche erhielt. Ich hatte die Gebrüder Hegar mit hierher gebracht um der Mama zum Namenstag zu musiciren. Das geschah auch aber zwei Tage nachher kam Obrist <aus> von Kilchberg u. bat uns seinen neuen Erard einzuweihen! Ja, ja, lachen Sie nur? Ich guckte mehrmal erstaunt ihn an, fragte nach dem Namen des Pianisten der mit uns musiciren sollte & schliesslich waren weder Theodor noch Anton, noch Alfred in der Nähe. Ich musste spielen! (je, io, I,) your most humble servant, and you may well imgine, dear Mad Schumann, what I played. Well, it was not to difficult, – es war das G moll Quartett v. Mozart. Aber das war nicht genug, ich musste singen, & Bratsche spielen im Quinten-Quartett v. Haydn, im C moll v. Beethoven, denn Bruder |3| Emil war mit hinausgefahren & spielte Violino zweito. – Das war ein musikalischer Nachmittag! Und wie reizend sangen Frau Obuse u. Mad Lehmann aus Rom schottische Lieder! Abends 10 1/2 wanderten wir mit Mondschein, Regengüsse & Sturm leichten Fusses nach Zürich, aber mit schwerem Herzen wie Theodor hinzufügen würde. Ein schönes Musikstück habe ich zum ersten Mal‘ mit Geigenklang gehört: Das Quintett in C dur mit 2 Celli von Schubert Es ist eine Pracht! Einige wollten das Rondo (etwas ungarisch) trivial finden. Es kommt d'rauf an wie man’s spielt. Auch das Sextett v. Brahms wurde an dem Abend bei Dr. Billeroth gespielt. Es ist meisterhaft & das fliessendste von Brahms, aber klingt es|4| so wie jeder Takt ein Schubert? Nur scheint er vernachlässigt das Technische zu sehr! Wie auch im Quartett mit Clavier manche Stelle wegen der unbequemen Lage, Doppelgriffen & s. w. nicht klingen kann! Es war ein herrlicher Abend & der Contrast zwischen beiden Compositionen höchst belehrend! Ich wollte Sie hätten es gehört! Ich meine belehrend für junge Musikdirectoren die auf die Zusammenstellung der Musikstücke `was geben. Adieu! ich muß jetzt fort! Hier gebe ich zu viel Geld aus & die lieben Freunde Obrist wollen mich gerne aufnehmen. – Wie wohlthuend die Seebäder! Bitte schreiben Sie mir eine Zeile wie Sie Zeit haben, der Theodor. Wann kommt er?.
Mit Gruss an Alle Sieben!
Ihr ergebener JSt.
Heute früh spielten wir der Mama das Septett von Beethoven! Welch eine Clarinette welch ein Fagott! Und das Ventilhorn! Die Tanzmusik verdirbt alles hier! – Armer Theodor!
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