Colmar. 15 Sept. 1863.
Liebe Frau Schumann,
Umgehend will ich für die freundliche Einladung danken. Ich kann jetzt unmöglich fort. Meine Sachen sind nicht fertig gepackt; in Basel lagen noch viele Hefte der Beethoven Ausgabe die ich vor der Abreise nach Colmar schaffen muß; dort bei Riggenbach eine Schuld abmachen, in Whierling adieu sagen: es geht nicht, es geht halt nicht! Und das alles durch meine eig‘ne Schuld! Ich kann mich eben wieder einmal nicht entschliessen meine Bibliothek, meinen Bach u. meine Bratsche zu verlassen; letztere nehme ich allerdings mit, aber mein Bach, & die schönen Cantaten |2| und der wundervolle Druck, und überhaupt das gemüthliche Studieren im eigenen Studierzimmer. Auch kommen noch alle Tage Briefe zu beantworten & wir haben uns zur Aufgabe gestellt vor meiner Abreise sämmtliche Quartette von Beethoven zu spielen, & das in der neuen Ausgabe, mit Stimmen die sich leichter spielen als – singen: Wie schön! wie wunderbar sind die letzten Quartette! Die Partituren nehme ich mit nach Hamburg; Stimmen aber laß‘ ich hier & mag den Gedanken nicht leiden daß sie neu, ungespielt da liegen sollen! Sie sehen, liebe Frau Schumann, wie es mir vor der Abreise heut durch den Kopf gehn mag! Und dazu der Gedanke daß ich allein, vereinzelt in Hamburg stehen werde: Orchester– Cammer- u Kirchenmusik in Gang bringen will & ohne Kirchner’s |3| Hülfe. Ich finde es eine grosse Schwäche von ihm daß er in dem Neste Zürich bleibt, wo er in Hamburg in drei Cammermusik Soireen sein ganzes Zürcher Honorar verdient. Er will aber keine Stunden mehr geben & componiren. Dagegen läßt sich wieder nichts sagen, aber ist es nicht Bequemlichkeit von ihm. Gestern war ich in Guebwiller u. Münster um adieu zu sagen u. fand abends 7 Briefe zu Hause. Die müßen nun beantwortet werden u. d’rum sage ich Adieu, u. hoffentlich auf Wiedersehen in Hamburg! So bald Sie entschlossen sind zu kommen, bitte, bitte schreiben Sie Ihrem ergebenen Sänger.
Grüsse die Meyer u. die besten an die l. Ihrigen! -
Mit Oldenburg ist’s fertig! Das Mädchen scheint andere Pläne zu haben! (unter uns.)
|