Berlin Lützowstr. 15
Hochverehrte Frau,
Gestatten Sie, daß zu dem seltenen, schönen Feste, das Sie jetzt begehen, auch ich meine wärmsten Glückwünsche Ihnen darbringe!
Ich konnte über das Datum nichts Genaues erfahren, u. wußte Sie in der letzten Woche in Leipzig, u. erst heute erfahre ich, daß der Jubeltag in Frankfurt am Sonntag begangen wurde. Möge die herrliche Reihe glücklicher Stunden, die Sie, gnädige Frau, so vielen Tausenden bereitet haben, viele Tage u. Jahre im Gefolge haben mit Freude u. Sonnenschein; und möge uns Schülern noch lange vergönnt sein, zu Ihnen, verehrte Frau als dem angebeteten Ideal in unserer Kunst emporzusehen.
Ich zehre noch an den glücklichen Stunden, die ich bei Ihnen, gnädige Frau verleben durfte, u. oft fällt mir ein Wort von Ihnen ein, oder ein Thema, wie Sie es spielten, u. das mir eine unverstandene Stelle schnell klar machte. Und wie oft kommt mir die Sehnsucht, Sie zu fragen, beim Studiren. Allzu viel Zeit für die eigene Kunst wird der Winter mir nicht bringen, bei 3–4 Stunden, die ich täglich gebe. Doch habe ich bisher u. auch in der Sommerfrische regelmäßig geübt. Vor der Reise habe ich bei Ihrem Herrn Bruder einige Wochen gespielt, u. möchte wohl, wenn meine Zeit es irgend zugiebt, ihn wieder darum bitten. Ich möchte so sehr gern mich vervollkommnen, u. bin oft in Zweifel über richtige Auffassung. Ich habe öfter über Ihr Ergehen u. das Ihrer Frl. Töchter von Freunden Nachricht gehabt, und wünsche so herzlich, daß es Ihnen in Frankfurt wohl gehen u. behaglich sein möge. Hoffentlich werden auch diesen Winter wir Berliner Sie hier hören dürfen!
Nochmals herzlich gratulirnd [sic] bin ich mit ergebenen Grüßen
Ihre dankbare
Felicia Tuczek
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