23.01.2024

Briefe



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ID: 19664
Geschrieben am: Montag 25.06.1883
 

Hochverehrte, theure Frau Schumann!
Ihre Postkarte u. Sendung (letztere durch Hrn. Vonder Mühll), habe ich erhalten, u. danke für Beides herzlich. Die Correkturen konnte ich noch gestern anfangen durchzusehen, u. heute – da ich ganz frei war – habe ich dieselben schon beendet, allerdings ist es mittlerweile Abend geworden. Nochmals möchte ich Ihnen die aufrichtige Versicherung geben, dass es mir die größte Freude macht, wenn ich Ihnen dadurch eine kleine Mühe abnehmen kann. Denn ich habe ein scharfes Auge u. ein ganz klein wenig von dem, was man philologischen Sinn nennt, u. deshalb entgeht mir nicht leicht etwas beim Lesen der Correktur, |2| u. zwar ohne dass ich mich anzustrengen brauche. Möchten Sie dadurch veranlasst werden, mir Alles ohne Umstände zu schicken; zweifelhafte Fälle überlasse ich stets Ihrer letzten Entscheidung.
So auch heute:
Textabweichungen.
Nussbaum.
Schumann: Mosen:
„blättrig die Blätter aus“ – „blättrig die Aeste aus“
Ich finde „Aeste“ richtiger, mich ┌ haben die┐ „Blätter“ zu dem vorhergehenden „blättrig“ immer gestoßen. Hoffentlich sind Sie damit einverstanden, umsomehr, als hier nur ein vom Componisten herrührender Schreibfehler vorliegen kann.
Lieder der Braut. I
<Schumann:> Rückert: <Rückert:> Schumann:
Mutter, Mutter! seit ich ihn Mutter, Mutter! seit ich ihn
Liebe, lieb’ ich dich erst ganz, Liebe, lieb’ ich erst dich sehr,
Dass du mir das Sein verlieh’n –
Das mir ward zu solchem Glanz. –
Durch das „sehr“ (Sch.) geht der Reim auf „Glanz“ verloren, deshalb habe ich „ganz“ corrigirt. |3| Die Rückert’sche Lesart „dich erst“ scheint mir mit der Musik besser, ja poetischer übereinzustimmen: [Notenbeispiel]
das „dich“ passt zu der ausdrucksvollen Figur, wie wenn es dafür erfun¬den wäre. Sollten Sie anderer Ansicht sein, so streichen Sie die beregten Worte<n> weg.
„Du bist wie eine Blume“
Schumann:4 Heine:
<>Du bist wie eine Blume, Du bist etc.
So schön, so rein u. hold; So hold und schön und rein;
_____ Ich schau’ dich an u. Wehmuth
_____ Schleicht mir in’s Herz hinein
_____ _____
(Letzte Zeile) (Letzte Zeile)
So schön, so rein u. hold. So rein und schön und hold.
Beim ersten Verse würde ich nach Heine corrigiren, weil sonst der Reim verloren geht; bei der letzten Zeile ist eine Correktur nicht unbedingt nöthig.
Sie werden, nachdem Sie Entscheidung getroffen, in der <Vorlage> Correktur <>das eine oder andere wegzustreichen haben.
|4| Sehnsucht. op. 51.
Schumann: Geibel:
„<beschäumt>“ „besäumt“ „beschäumt“
„Sommerduft“ „Sonnenduft“
„betraure“ „vertraure“
Diese Worte habe ich alle nach Geibel corrigirt.
Belsatzar
Heißt bei H. Heine 2mal „Belsazer“, ebenso nennt er das Gedicht „Ro¬manze“ und nicht wie Schum. „Ballade“. Derselbe Fall befindet sich in den beiden Grenadieren, die zudem auch ┌ nur┐ „Die Grenadiere“, <> ohne „beiden“, als Titel führen. – Trotzalledem habe ich mich nicht be¬wogen gefunden, darin etwas zu corrigiren, sondern will es Ihnen anheim stellen. – Da fällt mir noch ein, dass „Die feindlichen Brüder“ (Schum.) bei Heine nur „<>┌ „Zwei┐ Brüder“ lauten. Im „Räthsel“ muss in einem Akkord der rechten Hand das gis in eis geändert werden, sonst entstehen mit dem Basse Oktaven. Sonderbarerweise kommt diese Stelle drei mal vor
Seite 33, Takt 8,
" 34, " 10,
u. " 35, " 13.
Gleichwohl bin ich für die Correktur.
|5| Es freut uns sehr, dass es Ihnen so gut ergeht; wir haben hier sehr viel Gewitter mit fast tropischem Regen, weshalb wir nicht viel unternehmen können. Unsere Sommerpläne sind noch ganz unsicher, so dass ich ordentlich neugierig bin, wo wir schließlich hausen werden.
Adjüs! liebe Frau Schumann; mit herzlichen Grüßen an Sie u. die geehrten Frl. Töchter
Ihr
aufrichtig ergebener
Alfred Volkland
Basel, d. 25. 6. 83.
Noch etwas:
Das Lied „Räthsel“ ist gewiss nicht von Byron, eher vermuthe ich F. Rückert; ich suche noch danach, möglicherweise auch ohne Erfolg.
DO.

  Absender: Volkland, Alfred (1639)
  Absendeort: Basel
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 10
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Theodor Kirchner, Alfred Volkland und anderen Korrespondenten in der Schweiz / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-021-6
409-412

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,243
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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