Hochverehrte, theure Frau Schumann!
Zum neuen Jahre sende ich Ihnen einen herzlichen Glückwunsch, der darin gipfeln soll, die gütige Vorsehung möchte Sie im Jahre 1892 von Ihrer uns so sehr betrübenden Unpässlichkeit befreien, damit Sie in früherer Kraft u. Frische des Lebens Pilgerreise noch manche Jahre rüstig fortsetzen können. –
Von einem Ohrenzeugen hörte ich, wie einst der jetzt verstorbene Historiker Leopold von Ranke |2| Allen ihm zu Neujahr Gratulierenden zurief: Muth! Muth!
Das ist ein gutes Wort, das sich Jedweder merken soll. Man soll sich nicht unter kriegen lassen, sondern tapfer sein u. bleiben.
Am 10. Januar ist mein Benefiz-Concert, das mir diesmal rechte Unruhe verursachte, dadurch, dass mir fünf Solisten, die ich nacheinander zur Mitwirkung einlud, absagten. Doch jetzt habe ich doch noch einen bekommen, der Arie u. Lieder, sowie das Solo in der Walpurgisnacht, die ich aufführe, singen wird. Es ist der Baritonist Eugen Hildach. |3| Zu Anfang kommt die Adur-Symphonie von Beethoven, in <M> der Mitte Manfred-Ouv. von Schumann u. am Schlusse der 1sten Abtheilung ein Männerchor: „Todtenvolk“ von Hegar, den die Liedertafel, 100 Mann stark, singen wird. Wir hatten eine schöne Mozartfeier, die Krone derselben ┌war┐ wohl das Requiem, das vollendet aufgeführt wurde.
Denken Sie nur, meine Liedertafel macht eine Reise nach Stuttgart, um dort ein Concert zu geben. Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen! Wir müssen viel, sehr viel üben um am 22. April dort womöglich wundervoll singen zu können. Das Ueben mit Männerchor ist eine mühevolle Arbeit; es ist nur gut, |4| dass ich ein so treues Pflichtthier bin.
Nun leben Sie wohl, Verehrteste, seien Sie herzlichst gegrüßt von
Ihrem Sie verehrenden, alten
Alfred Volkland
Basel, d. 31. 12. 91.
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