Breslau den 2t Jan. 1883
Meine theure Frau Schumann,
Wie innig haben Sie mich gestern erfreut durch Ihre lieben, lieben Zeilen! Immer wie Sonnenschein kommen mir Ihre gütigen Worte ins Zimmer u erfreuen u erheitern mich ganz feiertäglich – vielen, vielen Dank dafür daß Sie an mich gedacht haben!
Meinen Neujahrsgruß habe ich an Marien gerichtet – wie herzlich meine Wünsche ganz besonders auch für Sie waren, das wissen Sie – nicht allein ein gutes Jahr möchte ich durch meine Wünsche um Sie zaubern, sondern aller Gaben Überfluß, Heiterkeit u frohes Behagen! Und daß Sie dies durch den Besuch von Brahms in diesen Weihnachtstagen gehabt haben, las ich mit großer Freude aus Ihren Zeilen. Er fühlt doch daß er zu Ihnen gehört u in Ihrer Familie die beste Gemüthsbefriedigung findet. Könnte ich doch das neue Jahr anfangen mit der Aussicht auch einmal zu Ihnen zu kommen! Könnte ich doch Ihre liebe Hand selbst küssen in Dank für die wiederholten liebevollen Einladungen! Es wäre gar zu schön wenn ich einmal wieder auch nur auf ein paar Tage in Ihrer Nähe sein könnte – aber, so oft wir auch darüber sprechen u es überlegen, nie will es ausführbar erscheinen. Am Liebsten möchte ich im Sommer an demselben Ort sein wo Sie Ihre Erholung suchen. Aber die Entfernung, die Unsicherheit meiner Gesundheit, die Erinnerung an das Misglücken der Reise vor 2 Jahren – die Flügel hängen schlaff! Und doch bleibt mir in einem, allerdings sehr versteckten Herzenswinkel, die Hoffnung sitzen, daß ich Sie dennoch einmal wiedersehe. Wie schön wäre es! Das Leben ist im Ganzen recht kurz mit seinen Gaben! Sie schreiben nicht wie es mit Ihrer Gesundheit geht, hoffentlich gut. Wie schön daß auch der Gruß von Elise nicht fehlte. Wir sind Beide wohl, ich so frisch wie lange nicht! u darüber bin ich sehr glücklich.
Meine Schwester grüßt mit mir, ich bin in alter treuer Verehrung u Liebe Ihre
Elisabeth
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