Verehrte Freundin.
Daß wir nicht die Freude haben werden, sie [sic] hier zu hören, thut mir sehr, sehr leid. Und ganz besonders, daß es wieder Ihr körperliches Befinden ist, was Ihnen Schonung gebietet. Es liegt mir natürlich fern, in Sie zu dringen, indessen wird Ihnen doch vielleicht, wenn erst einmal die vielen Sorgen und Mühen, die jetzt auf Ihnen lasten, vorüber sind, leichter um’s Herz werden. Einstweilen treffe ich noch keine anderweitigen Verabredungen. – Morgen, Montag, werde ich nach Baden kommen und 4 Flaschen Champagner mitbringen. – Haben Sie vielen Dank für Ihre theilnehmenden Zeilen. Es ist nicht mangelndes Vertrauen, was mir erschwert, gerade Dinge, die mich im tief-Innersten berühren, auszusprechen; es liegt vielmehr in meiner Natur, wie überhaupt in der des Mannes, das was ich zu tragen habe, allein zu tragen und in mir zu verschließen. Verkehre ich doch mit Allgeyer in größter Intimität und noch habe ich ihm mit keinem Worte mitgetheilt, was seit Jahren centnerschwer auf mir lastet; wohl ahnt er es, und ich habe das Gefühl, daß ich ihm vorkommenden Falles vertrauen könnte, und das ist mir genug. Ihnen aber habe ich mich, was diesen Punkt betrifft, offener ausgesprochen, als irgend einem Anderen gegenüber. Was die Vorkommnisse der letzten Tage betrifft, so bin ich wieder ruhiger und hoffe, daß sich Alles wieder klären wird, soweit bei solchem Verhältnisse überhaupt von Klarheit die Rede sein kann. Im Großen Ganzen bin ich resignirt; ich habe verlernt, von der Zukunft noch etwas zu erhoffen und werde deßhalb auch nicht enttäuscht sein; noch klagen, wenn sie mir nichts mehr bringt. – Auf morgen denn! Einstweilen herzlichen Gruß und Dank für Ihren lieben Brief! – Allezeit Ihr getreuer
Hermann Levi.
Carlsruhe 19.9.69.
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