Verehrteste Freundin.
Eben im Begriffe nach Stuttgart abzureisen, kommen mir Ihre lieben Zeilen zu, die mir als Zeichen innigen Verständnisses und Freundschaftsgefühles herzlich wohlgethan haben. So ungefähr würde mein Vater sprechen, wenn er einen Einblick in die Dinge hätte. Und ich würde ihm antworten, daß er Recht hat als Vater, wie Sie als Freundin. Und doch werde ich mich nicht dazu bringen, Ihrem Rathe zu folgen, es müsste denn die Zeit, die schon so vieles Leid in Freud gewandelt hat, eine Veränderung des Gefühles und der Anschauung in mir hervorbringen. Für jetzt habe ich abgeschlossen. Wenn Andere sich in Zukunftsträumen wiegen, so liegt bei mir der Schwerpunkt des Lebens in der Vergangenheit. Was ich im Verkehr mit ihr genossen, was ich in den sechs Jahren gelebt und gelitten, ist mir zu festem Besitzthum geworden, in welches ich mich immer wieder versenke, von dem ich zehre, von dem ich nicht lassen kann. Daß ich nur für einen Moment dem Gedanken Raum geben konnte, glücklich zu werden und glücklich zu machen um den Preis gänzlichen Vergessens und Verlassens dessen, was mir bisher das Höchste, das Liebste war, kommt mir nun wie ein schweres Unrecht vor. Es kann und darf nicht sein.
Für heute nur soviel in der Eile und Unruhe des Einpackens. Nochmals innigen, innigen Dank!
Immer Ihr getreuer
Hermann Levi.
1.7.71.
Meine Adresse von nächster Woche ab: Alexandersbad bei Wunsiedel im Fichtelgebirg. Poste restante.
Bielefeld wird auf meine Rechnung kommen. Wir machen die Sache im August zugleich mit den Theaterbillets ab.
Habe ich nicht einen Schirm stehen lassen mit einem Silberplättchen, gravirt J. B.? Derselbe gehört Professor Baumgarten hier. Wenn er sich findet, so schicken Sie ihn, bitte in die „Stadt Straßburg“ in Baden zu Frl. Boom, die dieser Tage hierher reist, und ihn mitnehmen soll.
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