Verehrte Freundin!
Wie mich Ihr Leiden betrübt, können Sie sich denken! Aber ich schließe daraus, daß Sie schon Donnerstag wieder spielen zu können glauben, daß Sie schon etwas Besserung spüren, und so will ich denn hoffen, daß Sie sich sehr bald wieder besten Wohlseins erfreuen werden! Das Conzert in Heidelberg ist auf Donnerstag angesetzt. Herr Buchhändler Schmitt (Adresse Bangel & Schmitt) besorgt den Billet-Verkauf. Einstweilen habe ich doch noch Nichts abgesagt. Wenn ein Conzert hier ausfallen muß, so ist es doch unser Abonnements-Conzert. Wie Sie wissen, kann das Orchester ein Ihrer würdiges Honorar nicht zahlen; ich kann deßhalb Ihr Anerbieten, Samstag dem Orchester zu spielen, nicht annehmen. Sie reisen doch wahrlich nicht bei dieser Temperatur unter steter Gefährdung Ihrer Gesundheit herum, um anderen Leuten Gefälligkeiten zu erweisen; ich bitte Sie also, wenn Sie überhaupt glauben, spielen zu können, um die Einwilligung, anzuzeigen, daß das Montag ausfallende Conzert erst Samstag stattfindet.
Sagen Sie, bitte, Frau Joachim mit herzlichem Gruße, daß sie in das – nun wieder neuzugestaltende Programm jedenfalls die Harzreise aufnehmen möge. – Vorgestern habe ich in Mannheim die b dur Sinfonie von Schumann dirigirt, habe die Leute in zwei langen Proben tüchtig vorbereitet, nachher ging es aber auch ordentlich. Hiller skandalisirte sich etwas über meine Tempi rubati. Sie müssen entscheiden, wer Recht hat. Vielleicht hat mich die Thatsache, daß sonst in Mannheim Alles soldatenmäßig-steif heruntergespielt wird, verführt, in der Freiheit etwas zuweitzugehen. –
Nun vor Allem Gesundheit, Gesundheit! Hoffentlich meldet mir Ihr liebenswürdiger Sekretär (der recht wohl auch einmal einen nicht-dictirten, eigenen Gruß anfügen könnte) recht bald Ihre völlige Genesung! Wenn meine Wünsche nur Etwas vermöchten – Sein Sie herzlich gegrüsst
von Ihrem treuen
Hermann Levi.
9.12.71.
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