23.01.2024

Briefe



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ID: 19858
Geschrieben am: Dienstag 02.06.1874
 

Liebe Freundin!
Die Genoveva-Partitur ist eben nach Mannheim abgegangen; ich werde dafür sorgen, daß unsre hiesigen Aenderungen auch in Mhm adaptirt werden; Mitte dieses Monates hoffe ich Frank selbst zu sprechen! Anbei sende ich Ihnen die Abschrift eines Briefes an Frank. Letzterer hatte mich ersucht, Sie zur Herabsetzung Ihrer Honorar-Forderung zu bewegen, was ich, wie Sie aus der Copie ersehen, abgelehnt habe. Ich finde, man hätte dort nicht handeln und Sie hätten nicht nachgeben sollen. Es ist das wirklich eine Principien-Frage. Das Beispiel von Lohengrin geht absolut nicht. Das war vor 15 Jahren, zu einer Zeit da die Bühnenverhältnisse noch nicht geordnet waren.
Wer heutzutage einen Lohengrin neu aufführen wollte, dürfte der Zahl 250 noch eine 0 anfügen. Was Berlin betrifft, so rathe ich Ihnen, keinesfalls auf Tantièmen ganz zu verzichten. Ich dächte, Sie verlangten 4–500 Thaler als garantirte Tantième (im Voraus zahlbar). Betz sagt mir, daß Wagner allein von dem Berliner Opernhaus jährlich 12000 Thaler beziehe. Die Tages-Einnahmen sind dort enorm. Die 500 Thaler würden in einigen Vorstellungen gedeckt sein. Schlägt das Werk wirklich ein, so haben Sie auf viele Jahre hinaus eine kleine Rente. Daß das Mannheimer Theater überhaupt keine Tantièmen zahlt, kann ich kaum glauben; ich weiß positiv, daß die meisten Componisten und Dichter heutzutage ihre Werke nur unter der Bedingung, daß Tantièmen gezahlt werden, hergeben, und man wird Mannheim gegenüber schwerlich eine Ausnahme machen. – Wenn die Leipziger keinen Contract aufzuweisen haben, müssen sie selbstverständlich das Werk jetzt neu erwerben. Immer wieder muß ich darauf zurückkommen, wie bequem es für Sie wäre, der Genossenschaft beizutreten. Alle derartigen Rechtsfragen würden dann von der Gesellschaft (in Ihrem Interesse) ausgefochten werden. Ich bitte Sie, doch einmal mit Holstein in Leipzig ernstlich darüber zu sprechen oder ihm zu schreiben. Denken Sie welche Unannehmlichkeiten für Sie ein etwa nothwendiger Prozeß mit Leipzig mit sich bringen würde. Ich glaube, Sie würden sich eher Ihres Rechts begeben, als Prozessen. Wenn Sie dagegen Genossenschaftsmitglied sind, so zeigen Sie den streitigen Fall dem Praesidium an, und haben sich sonst nicht mehr über den Verlauf zu kümmern. Johannes’ Rath8 und praktischer Blick in Ehren – aber in diesem Falle habe ich Recht. – Auch die Manfred Aufführungsfrage wird über kurz oder lang an Sie herantreten. – Die zwei Partituren werde ich gleich in Arbeit geben. – Ich reise Ende dieser Woche nach Basel zum Musikfest. Von da nach Badenweiler, wo ich meine Freundin nach 4jähriger Trennung wiedersehen werde. Sie können sich denken, daß das kein Wiedersehen ist, auf das man sich freut. Ich wollte, ich wäre 3 Wochen älter . . . . . . Gegen Ende des Monats (20–24) gehe ich zu 5-wöchentlichem Aufenthalt nach Alexandersbad im Fichtelgebirge. Sind Sie um diese Zeit noch in Teplitz, so besuche ich Sie dort, denn im Juli kann ich nicht nach Baden kommen, und sehen möchte ich Sie doch so gerne. Meine Adresse in Basel: Bei Frau Dr. Geiger, geb. Knapp. Die Briefe, die hierher nach München kommen, werden mir immer nachgeschickt. Es braucht keiner Strassennummer. Namen und Titel genügen. Und nun verzeihen Sie, daß ich die Lieder noch nicht geschickt. Morgen früh gehen sie sicher ab! Ich hatte so sehr viel zu thun. Sein Sie nicht böse. – Haben Sie Geduld in Teplitz! Möchten Sie für alle dort auszustehende Langeweile durch besten Cur-Erfolg entschädigt werden. Herzlichen Gruß an Frl. Marie. Wie geht es Felix? – Von Ihrem Versprechen, nächsten Winter wieder ein paar Tage hier zu verbringen, habe ich dankbarlichst Notiz genommen. Wenn ich auch ein liederlicher Briefschreiber bin, so glauben Sie mir doch, daß ich viel an Sie denke, und daß ich mich oft recht sehne, Sie wieder einmal von Angesicht zu sehen.
Immer Ihr treuergebener
Hermann Levi.

München 2. Juni 1874.

  Absender: Levi, Hermann (941)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Teplitz
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 5
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Franz Brendel, Hermann Levi, Franz Liszt, Richard Pohl und Richard Wagner / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik, Axel Schröter und Klaus Döge / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2014
ISBN: 978-3-86846-016-2
682ff.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 10623,75-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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