Liebe Frau Schumann!
Anbei sende ich mit bestem Dank die Romanze zurück.
Wenn ich nach Berlin zurückdenke, haften meine Gedanken vorzugsweise in den Zelten. Ich bedaure nur, daß mein Urlaub so kärglich bemessen war; indessen – man hat sich doch wieder einmal von Angesicht gesehen, und hat – wenigstens ich, empfunden, daß die lange äussere Trennung keine innere zur Folge gehabt hat – und das ist die Hauptsache.
Daß Sie in Berlin nicht heimisch werden können, begreife ich sehr wohl; auch mir könnte die glänzendste Stellung dort nicht Ersatz bieten für die mangelnde Gemüthlichkeit; dieses Hetzen, dieses Aneinander-Vorbeistreifen der Menschen wäre mir auf die Dauer unerträglich. Und macht man das Rennen und Jagen nicht mit, so ist man einsamer als in der kleinsten Stadt, wie ja auch Sie sich thatsächlich auf sich selbst und Ihre Familie zurückgezogen haben. In jungen Jahren mag es noch angehen; der geistige Horizont wird gewiß in einer Großstadt weiter und breiter; aber in späteren Jahren verzichtet man gerne auf Breite und verlangt dafür Tiefe. Mir waren die paar Tage in Berlin sehr lehrreich; auch waren alle Menschen so liebenswürdig mit mir – und doch begrüsste ich bei der Rückkunft mein kleines München auf das zärtlichste. Was macht der Arm? Wie ist es mit den Frühjahrsplänen? Eben schreibe ich an Brahms, will ihn bitten, mir die zweite Sinfonie für ein Festkonzert zu überlassen.
Liesse sich da Nichts combiniren! Das dumme Geld! Und doch bin ich andrerseits froh, daß ich es mit armen Musikanten, und nicht mit einem reichen Comité zu thun habe. Lieber arm, aber – limburgerlos.
Leben Sie wohl. Sie haben mich doch bei Frl. Eugenie entschuldigt, daß ich mich nicht verabschiedet? Es war die höchste Zeit; ich fand keinen Wagen, musste zu Fuß nach Hause galoppiren, wäre beinahe nicht fortgekommen. Grüssen Sie Ihre Damen aufs Herzlichste. Auch Fiedlers einen schönen Gruß. Haben die Stunden begonnen? –
Immer getreulich ergeben
Ihr
Hermann Levi.
München 6.2.78.
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