München 13. Sept. 80.
Liebe Frau Schumann!
Meine Gedanken sind heute ganz bei Ihnen. Die Vergangenheit zieht an meinem Gedächtnisse vorüber, wie wir oft in Baden an diesem Tage zusammen waren, und noch im vorigen Jahre hier, und wo die Erinnerung auch weilt, überall haftet sie sich an Gutes und Liebes und Schönes, was ich von Ihnen und durch Sie erfahren habe, und nicht der leiseste Mißton mischt sich ein, denn wenn ich bei solchem Rückblick auch des vielen Leides gedenken muß, das uns die Jahre gebracht, so kam doch kein Leid durch uns selbst, sondern Alles uns von aussen, von höheren Mächten gesandt, denen gegenüber es kein Klagen und kein Murren giebt. Und so schlägt heute mein Herz höher in Liebe und Dankbarkeit. Möge ein gütiges Geschick Ihren Lebensweg künftig ebnen; möchte der Prüfungen genug sein, möchten Sie sich in Ihrem Besitze, der trotz aller Verluste noch überreich zu nennen ist, noch lange Jahre beglückt fühlen; uns Allen, die wir Sie lieb haben, zur Freude und zum Stolze! – – –
Gestern konnte ich leider nicht schreiben, lag wegen heftiger Migraine zu Bett, konnte auch nicht dirigiren. Im Ganzen aber habe ich Ursache zufrieden zu sein, und hoffe mir das Erworbene durch vernünftiges Leben zu erhalten. Wie gern wäre ich heute bei Ihnen – aber ich steckte schon tief in der Arbeit, und habe diesen Sommer auch schon mehr Urlaub gehabt, als ich beanspruchen kann. Die Flügel-Angelegenheit werde ich ordnen. Ihr Bild werden Sie eingerahmt hier finden. – Härtel’s haben mir auf meinen Brief nicht geantwortet. Es scheint, gegen Brissler kämpfen Götter selbst vergebens.
Wollen Sie, bitte, Joachim mit schönstem Grusse fragen, ob er meinen Brief bekommen, und ob wir Aussicht haben, ihn einmal hier zu sehen und zu – hören?
Auf friedliches, herzliches Wiedersehen hier. Am 23. ist Haideschacht. Viele Grüsse an Frl. Marie und Eugenie.
Nochmals tausend gute Wünsche recht von Herzen von Ihrem alten, ergebenen
Hermann Levi.
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