Bipp 11 Sept 1862.
Lieber Freund, wie haben Sie mich heute Morgen durch Ihre lieben Zeilen so freudig überrascht! Dafür muß ich Ihnen meinen Dankesgruß gleich senden, denn er würde mir sonst das Herz beschweren, das ja ohnehin schwer genug ist! – Daß es mir nicht leicht war, Sie vorgestern ziehen zu sehen, wissen Sie eigentlich, ohne daß ich es sage! ich dachte auch, es könnte doch anders sein und wurde recht wehmüthig gestimmt; begriff aber dennoch, daß Sie sich mal wieder in Ihre Klause zurücksehnten. Hier nahm mich Frau Riggenbach sehr freundlich auf und gefällt es mir in meinem traulichen Stübchen sehr gut, sähe es nur in mir auch so friedlich aus. Ich gebe mir alle Mühe heiter zu sein, aber in solcher Einsamkeit, da bleibt mir gar zu viel Zeit alles Erlittene wieder durchzuleben und der Schmerz um meinen Robert umfängt dann meine ganze Seele. Morgen sind es 22 Jahre, daß wir uns verheiratheten, u schon 6 Jahre seit ich ihn verlor. Was sind aber 16 Jahre der Vereinigung für ein Herz voll Liebe, für das ein ganzes langes Leben noch viel zu kurz gewesen wäre! Kann die ganze Welt mit all ihren Schätzen wohl solch eine Stunde solchen Glückes ersetzen wie ich verlor? – Doch glauben Sie nicht, daß ich nicht wüßte was mir noch Gutes blieb, u daran hänge ich auch mit aller Innigkeit.
Mit meinem dummen Finger geht es noch nicht besser – wird es nicht besser bis Sie kommen, so spielen wir 19 fingerig.
Manches schrieb ich Ihnen gern, doch macht mir ein arges Kopfweh zu schaffen und dann habe ich ja bald die Freude Sie zu sehen, das ist dann das beste.
Die Kinder grüßen Sie schönstens – sie spielen eben zusammen etwas langsam, was wir später, nur etwas feuriger, auch spielen werden. Schließlich noch die Bitte, daß Sie sich nicht zwingen mir gerade zum 13ten zu schreiben, wenn es Ihnen eben nicht so um’s Herz ist. Ich weiß denn doch, daß Sie meiner gedenken, und lese mir Ihren heutigen Brief noch ’mal.
Adieu lieber Freund
Nochmals Dank von Ihrer Clara Schumann
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