Münster am Stein bei Kreuznach d. July 1862.
Lieber Freund,
könnte ich Sie heute doch wie sonst mit recht freudigem Herzen so anreden! ich kann es aber nicht, gar zu betrübt bin ich, daß ich keine Zeile von Ihnen erhalte, weder auf meinen Brief im Mai nach Hannover, noch auf meinen letzten langen Brief von hier. Ich muß aber meinem innersten Drange folgen, indem ich Ihnen zu Ihrem Geburtstage meine innigsten Wünsche sende; ich denke als aus dem treuesten Freundesherzen kommend, müssen sie Ihnen zwischen alle Huldigungen hinein, die Ihnen sicher von Vielen an diesem Tage zu Theil werden, doch ein liebes Zeichen sein. Ich hatte Ihnen von Paris ein Geburtstaggeschenk (eine Gluck’sche Partitur)mitgebracht, im Herbst hoffe ich sie Ihnen selbst geben zu können. Wüßte ich doch nur Etwas von Ihnen! wie’s Ihnen geht, wo Sie die letzten Sommermonate zuzubringen denken, wenn Sie nach Deutschland zurückkehren? können Sie Sich denn gar nicht denken, wie empfindlich mir dies Schweigen? Am 25ten verlasse ich Münster, um direct nach Rigi-Kaltbad zu gehen wo ich bis Anfang Septbr. zu bleiben denke. Was nachher, ist noch nicht bestimmt. Besonderes von hier weiß ich Ihnen nicht mitzutheilen, von Johannes Hierseyn wissen Sie ja schon Alles, und seitdem er fort <z> vergeht so ziemlich ein Tag wie der Andere, und dann – ich finde keinen Redefluß mehr, bis ich erst ’mal wieder ein sichtliches Zeichen Ihres Gedenken erhalten. Von Allen hier soll ich Ihnen die schönsten Glückwünsche sagen – nochmals grüße ich Sie mit dem alten Herzen voll Freundschaft aber betrübt
Ihre
Clara Sch.
Adr. Rigi-Kaltbad bei Luzern.
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