Frankfurt a/M d. 2 Jan 1893.
Liebes Fräulein Malwine
wie sind wir erschrocken über Ihre Nachrichten! ach Sie Armen Beiden! vor’m Jahr hatte Mathilde die große Sorge um Sie, nun ist es umgekehrt! ach, könnte man da doch helfen!
Ich habe seit gestern eine so heftige Erkältung daß ich kaum aus den Augen sehen kann es ist aber nur ein collossaler [sic] Schnupfen, daher kann ich Ihnen auch nur wenig schreiben. Wir verlebten Weihnachten still zu Haus mit Eugenie, die uns durch ihre Munterkeit erfreut; sie scheint so befriedigt in ihrer Wirksamkeit und Selbständigkeit, daß ich mich darüber freuen muß, so schwer mir die Trennung auch ist. –
Julie schwärmt jetzt etwas – es gab allerlei die vergangene Woche, und heute giebt es den ersten Ball. Ich wollte nicht recht darein, mußte aber nachgeben – es ist übrigens kein öffentlicher Ball. Wie sind die Contraste im Leben doch oft so grell – hier tanzt das Kind, dort ist eine liebe Freundin krank, und die Umgebung blickt mit schwerer Sorge auf Dieselbe. Ich denke mir, daß Mathilde im Sommer oft zu große Spatziergänge unternimmt – man bleibt eben doch nicht jung, der Körper wenigstens verlangt Pflege und Schonung. Liebes Fräulein, bitte lassen Sie mich in der nächsten Zeit, so oft Sie es können, Postcarten haben, nur mit wenig Worten sagend, wie es Mathilde geht. Meine Gedanken weilen bei Ihnen, der Himmel erhalte Ihnen die theuere Freundin, das erfleht Ihre
von Herzen ergebene
Clara Schumann.
Wärmste Grüße der armen Patientin.
Marie, Eugenie und Julie grüßen Sie Beide mit den innigsten Wünschen zum neuen Jahr, das recht baldige Besserung bringen möge.
[Umschlag]
Fraeulein
Malwine Jungius.
Berlin.
173 alte Jacobstraße.
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