23.01.2024

Briefe



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ID: 21205
Geschrieben am: Mittwoch 09.10.1895
 

Frankfurt a/M d 9 Octbr. 1895.

Meine theuere Rosalie,
so wäre denn wieder ein Jahr verflossen in welchem Sie der Himmel beschützt und uns erhalten hat. Aber eine theuere Freundin hat es Ihnen geraubt, und das wird Sie besonders wehmühtig stimmen, theuerste Rosalie.
Ach, wie so gern hätte ich Sie morgen überrascht, habe so viel darüber |2| nachgedacht, aber ich war die ganze Zeit so wenig wohl, daß ich nicht daran denken konnte. Es muß noch eine Folge der großen Hitze sein, das meint auch der Dctor. Und nun komme ich mit so winziger Gabe, nur einigen trauben und /die hoffentlich rechtzeitig eintreffen/ wußte ja gar nicht, womit ich Sie erfreuen könnte! Vorlesen lassen Sie sich doch gar nicht mehr, also wäre ein Buch |3| auch nicht das Richtige. Könnte ich Sie nur ab und zu ‘ mal zerstreuen, wie wünschte ich das! ich bin aber all die Zeit her so melancholisch gewesen, daß ich auch dies nicht hätte vollbringen können! –
Unsere Eugenie ist nun auch schon wieder in England – wie schmerzlich vermissen wir sie. – Brahms kam auf der Durchreise von Meiningen für eine Nacht, und |4| da hatten wir denn die Freude, ihn mit Kufferath, der auch dort gewesen war, und Speyer’s einen Abend bei uns zu haben. – Er ist wieder sehr gefeiert worden, wie Sie wohl aus den Blättern erfahren haben.
Bei uns geht Alles wieder im alten Geleise, die regelmäßige Beschäftigung ist mir sehr erwünscht, man erlebt doch auch hie und da Freude an Schülern.
Manchmal staune ich doch, wie viele es sind, denen |5| wir zu einer Lebensstellung verhelfen konnten. Jetzt haben wir ein sehr talentvolles Kind /12 Jahre alt/, die kleine Simonsen, die schon viel öffentlich gespielt, aber eine ganz mittelmäßige Schule hat. Da hat nun Marie wieder eine schwere Aufgabe, aber sie sagt, wenn das Kind Ausdauer hat, kann eine bedeutende Klavierspielerin aus ihm werden. Merkwürdig ist es mir, wie Marie es verstehe, dem Schüler eine gute Grundlage beizubringen! Ich habe |6| es nachher ja viel leichter.
Agnes wird gewiß den morgenden Abend bei Ihnen zubringen, und Ihre Verwandten Alte Sie mit Liebe umgeben! ich thue es im Geiste, und bitte den Himmel, daß er uns in diesem Jahr auch wieder zusammen führe!
Zu Maria meine herzlichen Grüße (Elise ist wohl nicht da?) und mit wärender (?) Umarmung Ihre
treue, aber recht wehmüthig gestimmte
Clara.





… Könnte ich Sie nur ab und zu mal zerstreuen, wie wünschte ich das! ich bin aber all die Zeit her so melancholisch gewesen, daß ich auch das nicht hätte vollbringen können! – unsere Eugenie ist nun auch schon wieder in England – wie schmerzlich vermissen wir sie. – Brahms kam auf der Durchreise von Meiningen für eine Nacht, und da hatten wir denn die Freude, ihn mit Kufferath, der auch dort gewesen war, und Speyer’s einen Abend bei uns zu haben. – Er ist wieder sehr gefeiert worden, wie Sie wohl aus den Blättern erfahren haben.
Bei uns geht Alles wieder im alten Geleise, die regelmäßige Beschäftigung ist mir sehr erwünscht, man erlebt doch auch hie und da Freude an Schülern.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Leser, Rosalie (938)
  Empfangsort:

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6763
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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