Ober-Salzberg d. 11 Aug. 90
Meine theuere Emilie,
immer dachte ich daran Dir ein Wort zu schreiben, und dennoch kam ich nicht dazu, denn es hatte sich hier schon wieder Vieles zur Erledigung angesammelt.
Hab Dank für Dein liebes Briefchen – ich weiß, wie ungern Du schreibst, um so dankbarer bin ich Dir!
Wir sind nun hier wieder eingelebt, und finden es erquickender, |2| und schöner denn je. Wir hatten erst sehr schlechte Tage bis Sonnabend – erst da wurde es schön, leider aber heute ist der Himmel schon wieder voll Wolken.
Du Arme hast das schlechte Wetter zu Deiner Erholungszeit gehabt, und nun die fatalen häuslichen Miseren, während wir hier die Natur genießen – wie leid thut mir dies! –
Sonderbar, ich sehne mich trotz der Genüsse hier, nach Haus, habe |3|diesmal gar nicht, wie früher, das wirkliche Vergnügen an Allem – ich glaube das Krankheitsgefühl ist es, das ich nie gekannt, und das mich so schwer noch <drükt> drückt, es ist mir immer, als könnte jede Minute mir etwas ungeahndetes bringen. Die fürchterlichen Eisenbahnunglücke sind auch nicht geeignet, einen zur Freude am Reisen kommen zu lassen. Das Letzte bei Pilsen ist doch zu entsetzlich! –
Ich bin Dir sehr dankbar, wenn Du mir die 5 Bände v. Sybel (also, nicht wahr, für 36 M. durch Deine Güte?) besorgst. |4| Ich möchte aber nicht alle Bände hierher haben, sondern bitte Dich später um Besorgung nach Frkf. und nur den ersten Band möchte ich hierher haben, wenn wir hier bleiben. Darüber schreibe ich Dir noch Genaueres. Es läßt sich bei der schwankenden Witterung noch gar nichts bestimmen.
Für heute, leb denn wohl, meine liebe Emilie! nicht weniger, wie Du, freut sich auf unser Wiedersehen
Deine alte
Clara.
Marie grüßt aufs herzlichste.
|