Verehrtester Herr,
Sie mögen Sich nicht wenig verwundert haben, daß ich Ihnen zugemuthet, Meinetwegen nach Prag zu schreiben, doch es beruht das auf einem Irrthum. Ich war zerstreut und verwechselte die Bohemia mit dem Oesterreichischen Beobachter, bis 14 Tage nachdem ich Ihnen geschrieben, da besinne ich mich und schwer fiel es mir auf’s Herz daß ich so viel von Ihnen verlangt hatte. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre freundliche Bereitwilligkeit, sowie für die Briefe. Sollte das in die Bohemia nicht eingerückt werden so wird es Ihnen wohl ein Leichtes sein die wenigen Worte in den Beobachter einrücken zu lassen? zürnen Sie mir nicht daß ich schon wieder eine Bitte hervorbringe, doch bin ich auch anderseits sehr gern bereit einen Aufsatz über Ihre schöne Oper hier in ein Blatt setzen zu lassen; es hält hier außerordentlich schwer, und darum verspreche ich es Ihnen nicht als gewiß, doch will ich mir alle Mühe geben und bitte Sie, mir den Aufsatz zu senden.
Sehr schön ist es doch daß Sie so fleißig componiren! ich begreife nur nicht daß Ihnen noch so viel Zeit bleibt? gewiß |2| arbeiten Sie des Nachts noch? Ihr mir dedicirtes Rondo erhielt ich noch nicht – ich werde Friese darum schreiben und freue mich schon sehr auf den Empfang. Haben Sie auch wieder neue Lieder componirt? wenn gedenken Sie Ihre neue Oper zur Aufführung zu bringen?
Ich genieße jetzt auch das Landleben mit der Familie bei der ich wohne; unser Aufenthalt ist 2 Stunden von Paris; wir sind umgeben von lieblichen Bergen und der Seine auf der wir viel herumschiffen, das Rudern können wir bereits Alle sehr gut. Ich habe noch ein junges Mädchen aus Stuttgardt mitgenommen, die viel Anlage zum Clavierspiel hat und der ich Unterricht gebe. In einigen Wochen gedenke ich in’s Seebad nach Dieppe mit einer russischen Gräfin zu reisen; sie ließ nicht nach bis ich ihr versprach mit ihr zu gehen. In 4 Wochen bin ich wieder da und hoffe alsdann ein paar Zeilen nebst dem Aufsatz von Ihnen vorzufinden. Meine Adresse ist: Rue de Navarin, Faubourg Montmartre, No. 12.
Grüßen Sie schönstens Ihre ganze liebe Familie, und machen Sie mir recht bald die Freude eines Briefchens
Ihre ergebenste
Clara Wieck
d. 26/7 39.
Haben Sie doch die Güte Frau von Cibbini von mir zu grüßen und sie zu fragen, ob ich denn nicht einmal auf ein paar Zeilen von ihr hoffen dürfte. Ist ihre Tochter verheirathet?
Ole Bull soll ja jetzt bei Ihnen sein? ich beneide ihn! so gar gern wäre ich in Wien. Nochmals herzlichsten Gruß! –
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