Düsseldorf d. 1ten Febr. 1851
Meine liebe Emilie,
was denkst Du wohl, daß ich Dir so lange nicht schrieb? warest Du böse auf mich? fast muß ich es vermuthen, weil Du mir nicht ein einziges Mal schriebst und doch sicher mehr Zeit hattest, als ich, die ich wirklich seit der Zeit, wo ich von Leipzig aus an Dich schrieb, die unruhigste Zeit meines Lebens verbrachte. Als ich <zu> von Leipzig zurück kam, begann das Einpacken, dann die Abreise, dann hier der Einzug, die Einrichtung, dann Concerte die Menge, ferner Weihnachten, kurz, Du magst es glauben, oder nicht, ich kann kaum zählen daß ich zwei ruhige Stunden gehabt habe, seit ich hier bin, dazu kommen noch Schüler, öffentlich Spielen, kleine Abstecher nach Köln ect.
Wie merkwürdig! eben jetzt kommt ein Brief von Dir – ich mußte laut lachen, als ich Deine Hand sah, das ist doch Sympathie! –
Deine Nachrichten sind aber leider sehr trübe, die arme Elise bedauere ich von ganzem Herzen, und begreife gar nicht, daß das Leiden so lange anhält, hoffe aber zu Gott, es soll sich bald geben! Elise soll denken, es bleibt nie, wie es ist, das Schlimmste hat sie gewiß überstanden. Von Pacher |2| schreibst Du mir aber gar nichts? wie geht es mit seiner Gesundheit? wäre nur Elise nicht nach Nizza gegangen, so wäre es wohl anders mit ihr! doch, das ging nicht anders, dem Manne muß die Frau folgen. Dein Schwager dauert mich auch sehr, denn nichts ist schrecklicher für einen Mann, als die Frau so leidend zu sehen. Ich kann mir auch denken, welch trübe Zeit Du verlebst – kämest Du doch zu mir einige Monate zu Deiner Erholung, das thäte Dir auch noth, hier würdest Du heiter werden, denn wir führen wirklich ein äußerst angenehmes Leben hier, und fühlen uns auch in uns so recht beglückt. Meines Mannes Wirkungskreis ist ein sehr angenehmer; die Concerte sind so ungeheuer besucht, wie nie zuvor, immer sind 6–700 Menschen darin, das will wohl Etwas sagen für eine Stadt wie Düsseldorf. Die Concerte an sich kann man gewiß zu den Besten zählen, die in Deutschland existieren; immer haben wir einen schönen Chor zur Disposition, und einen großen Vorzug haben wir noch vor den Leipzigern, daß nie etwas Schlechtes zugelassen wird, z. B. nie eine italienische Arie, alle I’s und Ni’s sind verbannt. Ach, wie wünschte ich, Du sähest meinen Robert als Dirigent, wie so herrlich, so fest und ruhig er dirigirt, wie so |3| wundervoll das Alles geht! es ist ihm ganz und gar geläufig geworden, und (unter uns gesagt) ist man hier einer Stimme, daß die Concerte viel schöner gehen, als zuvor. Hiller, der jetzt in Köln wohnt, kommt oft zu Concerten herüber, ist aber immer sehr verstimmt, es soll ihm auch in Köln gar nicht sehr gefallen. Das Leben ist sehr heiter hier, und eine Aufnahme haben wir gefunden, wie man sie sich wohl nicht besser wünschen kann, Souper’s, Diner’s, Ständchen, Ball, Concert uns zu Ehren, wo die Peri aufgeführt wurde, kurz, es fehlte an nichts; was dazu gehört, einem Könige Ehre zu erzeigen, das thut man uns! – Auch als Künstlerin bin ich hier neu aufgelebt, denn jedes Mal, daß ich spiele, nimmt man mich mit dem größten Enthusiasmus auf. Schülerinnen habe ich auch Verschiedene. Eine Dame kam aus Braunschweig her, die Andere aus Weimar (vielleicht kennt Ihr sie, Frl. Sabinin, Tochter des russischen Probstes daselbst), noch Zweie aus Altona, Eine kömmt alle Sonntage von Elberfeld zur Stunde, und Eine ist mir von England angekündigt, die Ende März kommt. Auch Hiesige habe ich Einige, und so kannst Du Dir wohl denken, daß ich meine Zeit ungeheuer zusammennehmen muß, dazu kommt noch, daß ich Niemand habe, der |4| mir im Haushalt beisteht, also auch da noch Alles besorgen muß.
Vor Kurzem erhielten wir von Bennett aus London einen Antrag, dorthin zu kommen im Mai, wo er in zwei Concerten Compositionen von Robert aufführen will, und ich spielen soll. Wir haben große Lust dieß anzunehmen, jedoch deckt der Antrag die Kosten einer Reise und Aufenthalt in London noch nicht, und da muß man sich die Sache recht ordentlich überlegen. Noch eine Sorge liegt mir auch noch ob, wegen der Kinder! ich kenne hier Niemand, dem ich die Kinder die Zeit über (einen Monat haben wir zu unserem Aufenthalte dort bestimmt) anvertrauen könnte! kämest Du, dann reiste ich freilich mit leichtem Herzen! Wie wäre es, besuchest Du mich einen Monat vorher, und bliebest dann, während wir in England wären, in meinem Hause? wie herrlich wäre das, und was Gutes thätest Du damit! vielleicht ist auch Elise wieder besser, so daß Du fort kannst? denke doch, bitte, ernstlich darüber nach! Schreibe mir Deine Meinung, ich will mich nicht eher nach Jemand Anderem erkundigen.
|5| Erschrocken bin ich über Deiner Schwägerin Coith Freundschaft mit Frau Hoger, dieselbe ist allerdings die Schwester der Frau Hiller, aber ein entsetzlich verrufenes Frauenzimmer, ist auch gar keine Frau, sondern heißt Frl. Hoger, nennt sich aber Frau, um so ungestörter reisen und überhaupt ungenierter lieben zu können. Sie war in Dresden wie hier bei Frau Hiller, aber bei allen Menschen verrufen! sie sieht ja auch ganz verlebt aus, man braucht sie nur anzusehen. Mir ist sie ein wahrer Greuel. Doch Dieß Alles unter uns, liebste Mila, auch was ich Dir schon im Anfang von Hiller schrieb.
Daß Lina wieder so heiter ist, ist ja recht ein Glück, und für Deine liebe Mutter gewiß recht ein Trost. Wie steht es denn mit dem Bilde, das ich nun seit Jahren immer erhalten soll? wie macht sich Lina als Malerin? gewiß leistet sie viel? schreibst Du, so grüße die Deinigen recht herzlich von mir.
Meine Kinder sind Alle recht wohl, und machen uns viel Freude! auch mein Mann ist hier viel wohler, als in Dresden, und arbeitet sehr fleißig, |6| wozu ihn die große Anerkennung, die ihm jetzt von so vielen Orten zu Theil <sehr> wird, sehr animirt. Seine Compositionen sind Diejenigen, welche jetzt am meisten gekauft werden, und täglich kommen Bitten von Verlegern um neue Werke. In Holland z. B. werden fast nur seine Lieder und Claviersachen gekauft. Zu Weihnachten hat er mich mit einer neuen Symphonie überrascht, die am 6ten im 6ten Abonnement-Concert aufgeführt wird. Ich glaube auch ganz fest, daß die Zeit noch kommen wird, wo seine Oper anerkannt wird! der böse Einfluß Meyerbeer’s ist jetzt noch zu mächtig, als daß Einer, der zur wahren Musik zurückkehrt, gleich durchdringen könnte. Der Clavierauszug ist erschienen, schon daraus wird Manchem ein Licht hervorgehen über das Streben darin, und sollte wirklich das Publikum nicht darauf eingehen, so besitzt immer noch der Musiker einen Schatz in der Musik allein. Das zu Dir, meine Mila! es thut mir immer so leid, wenn ich denke, daß Andere, uns viel ferner stehende, weit mehr meines Mannes Genius erkannt haben, als Du, was eben auch darin liegt, daß Du in Oestreich, wo man ja musikalisch noch so sehr zurück ist, |7| Nichts von ihm hörst, und Selbst leider auch nicht mehr spielst. Auch Elise hat gewiß Nichts von allen neuen Sachen für Gesang kennen gelernt, da sie immer krank! sie soll sich doch ja, sobald sie kann, wieder der Musik zuwenden, es giebt keinen schönren Trost im Schmerz, als Musik. Sage Elisen meine besten Wünsche für ihre baldige Besserung, grüße auch Deinen Schwager und Schwägerin, und schreibe mir recht bald wieder, bit[te] bitte! Du hast schon Zeit dazu, v[er]giß also nicht.
D[eine] treue
[Freun]din
[Clara].
|8| Fräulein
Emilie List.
[abzugeb]en bei dem Herrn
v. Pacher
in
Wien
Schönauer Niederlage.
Frei.