Düsseldorf d. 15 März 1854
Meine liebe Emilie,
wie so gern hätte ich Dir schon eher geschrieben, aber immer fehlte mir die Krafft, und auch heute weiß ich nicht, ob ich sie haben werde! Ja, Du hast ganz recht gelesen – ich habe Jahre lang das höchste Glück auf Erden in meinem theueren Robert genossen, ein seltnes Glück, ich trage aber auch eine selten schwere Prüfung jetzt! – Denke Dir, meine Mila, Robert war gerade diesen Winter so wohl, wie selten, noch im December machten wir eine herrliche Reise nach Holland, im Januar waren wir in Hannover, wo er auch ganz vergnügt waren [sic], kurz, hatte ich jemals keinen Grund zu Besorgnissen für Ihn, so war es jetzt. Da, vor 4 Wochen bekam er plötzlich ein heftiges Klingen im Ohre, erst ein Ton, dann ganze Harmonien und zuletzt war es ihm, als hörte er ganze Orchester, aber so herrlich, wie ┌man┐ es auf Erden nie höre; er sagte immer das seyen Engel, die ihm vorspielten. Dieß <> dauerte 8 Tage und Nächte unausgesetzt; |2| Oft sagte er mir, wenn dieß nicht bald aufhöre, müsse es sein Gehirn ganz aufreiben; er versuchte den Tag über Alles sich abzuziehen, schrieb viel (er hatte mehrere literarische Arbeiten vor) doch mit größter Anstrengung, denn die Musik übertönte Alles, jedes Gespräch! – Endlich nach 8 Tagen stand er plötzlich in der Nacht auf, und sagte, er müsse ein schönes Thema, welches ihm die Engel vorsingen aufschreiben, und that dieß auch, doch als er sich wieder niederlegte gerieth er in ein förmliches Fantasieren, fortwährend sprachen die Engel zu ihm (aber Alles in schönsten Harmonieen) machten ihm Offenbahrungen über das Jenseits, und so lag er die ganze Nacht <,> in einem seligen Zustande – ich war natürlich außer mir, das kannst Du Dir denken. Morgens darauf veränderten sich die Engelsstimmen in Dämonenstimmen und dieß in schrecklichen Tö¬nen, so daß die Aufregung meines armen Mannes bis auf den höchsten Punkt stieg, und er in einen förmlichen Nerven-Paroxismus gerieth! er meinte, er sey ein schlechter Mensch, die Teufel packen ihn – ach, erlasse mir die Details! Diese Zustände wechselten fortwährend von den schönsten zu den schrecklichsten; dabei |3| war sein Verstand ganz klar, er componirte über das so rührende fromme Thema reizende Variationen, und schrieb sie für mich<ab> auf. Ach, meine Emilie, was ich litt, war furchtbar; ich kam 16 Tage nicht in’s Bett, und war auch den ganzen Tag an seiner Seite; da auf einmal eines Abends spät, stand er vom Sofa auf, wir hatten uns noch eben unterhalten, und sagte, ich solle seine Kleider bringen, er müsse fort, er wolle in eine Irrenanstalt, denn er sey seiner Sinne nicht mehr mächtig, und könne zu Haus nicht geheilt werden, dort aber werde er bald genesen. Du kannst Dir meinen Schrecken denken! ich ließ gleich den Arzt holen und einige Bekannte aus der Nachbarschaft, die ihn beruhigten, und der Arzt brachte ihn endlich so weit, daß er zu Bett ging. Seine Aufregung ging aber so weit, daß er oft sagte „ach, Clara, ich bitte dich, geh von mir, ich bin ein schlechter Mensch, bin deiner Liebe nicht werth, ach, und ich habe solche Angst, ich könnte dir in der Aufregung etwas anthuen!“ Kurz, Tags darauf steigerte sich die Unruhe so, daß die Aerzte mich, und Alles, was ihm lieb war mit Gewalt aus dem Hause entfernen mußten, und erst, als er fremde Wärter um sich sah, |4| wurde er ruhiger, lag viel zu Bett, denn die Aufregungen machten ihn natürlich matt. Von Tag zu Tag ver<st>tröstete man mich auf das Wiedersehen, bis endlich die Aerzte mir das Schrecklichste eröffneten, daß er selbst keine Ruhe mehr habe, und ihnen täglich sage, er mache sie verantwortlich dafür, wenn sie ihn in keine Anstalt brächten, denn er fühle es, dieß sey das einzige Mittel zu seiner Heilung. Die Aerzte schrieben nun an einen Arzt, der weit und breit wegen seiner glücklichen Kuren bekannt, und der eine Privat-Heil-Anstalt bei Bonn hat, und dahin brachten sie ihn am 4ten März! ich sah ihn nicht wieder! die Aerzte sagten, jetzt sey kein einziges Symptom von Unheilbarkeit vorhanden, das könne aber entstehen durch die Aufregung eines Wiedersehens, und so mußte ich ihm das schwerste Opfer bringen! er selbst war so mit seinem Leiden beschäfftigt, daß er selten nach mir frug, und dann, wenn man ihm natürlich sagte, ich sey wohl, still freundlich lächelte. Ach, meine Liebe welch ein Eintritt in mein Haus war das! wie öde! ach, ich hätte mich mögen begraben in seinem |5| Zimmer, und nichts, als alle die Gegenstände, die ihm lieb waren, nur immer betrachten und die blutigsten Thränen weinen. Ich thue es auch oft! – Daß ich noch lebe, das ist ein Gottes Wunder, denn mein Herz ist im Innersten zerrissen, ich vegetiere nur noch so! Du wirst Dir wohl denken können, was es heißt, einen Mann der mein ganzes Herz ausgefüllt, dem ich in gleicher Liebe und Verehrung mit <sein> meinem ganzen Seyn ergeben war, der von Allen, die ihn kannten verehrt war, als Künstler wie als Mensch, Diesen von mir zu lassen, fremder Pflege übergeben zu müssen! ach, Emilie, nur Gott kann in mein Herz sehen! es ist zu schrecklich, was ich leide, und nur ein schwacher Schimmer von Hoffnung (obgleich die Aerzte Alle auf seine Genesung bauen, wenngleich nicht schnell) erhält mich noch! Ach und denke Dir, daß mir in drei Monaten meine Entbindung bevorsteht! welch<e> trübe Zukunft! – Jetzt ist die Mutter aus Berlin bei mir; und war gestern in Bonn, um selbst Alles zu sehen, und den Arzt zu sprechen; ihn selbst (Robert) sah sie |6| nicht, denn es wird Alles von ihm fern gehalten, was ihn nur im Geringsten aufregen kann; der Arzt sagte ihr aber, daß er seit zwei Tagen sehr ruhig sey, und er (der Arzt) nur sagen könne, er sey zufrieden. Die Anstalt liegt reizend, das ganze Siebengebirge davor, der Arzt ist ein prächtiger Mann, die Mutter sagt, man brauche ihn nur zu <s> sehen, um auch gleich Vertrauen zu fassen. Robert hat alle Bequemlichkeiten, eine Pflege, wie sie hier unmöglich gewesen wäre, wird von allen Seiten mit größter Liebe behandelt, kurz, mußte ich ihn einmal von mir lassen, so konnte er nicht besser versorgt sein, aber, der Schmerz bleibt doch derselbe! die Trennung war das Schwerste, was mir der Himmel schicken konnte! –
Du warst so gut mir zu schreiben, Du wollest zu mir kommen; doch muß ich Dir offen sagen, daß Umgebung von Anderen keinen Trost mir gewährt, daher ich auch die Mutter schon bat, abzureisen. Ich arbeite den Tag über so viel als möglich, gebe Stunden, thue |7| so manches Andere, dann aber sehne ich mich nach Ruhe! dann setze ich mich in meines Mannes Stube an seinen Schreibtisch, nehme sein theueres Bild zur Hand, und dieß sind dann die schmerzlichsten aber auch meinem Herzen die wohlthuendsten Momente.
Ich kann Dir nicht mehr schreiben, denn ich bin zu sehr angegriffen!
Leb wohl Du und Ihr Alle und bitte für Ihn den theueren Kranken und mich
Deine
unglückliche
Clara.