Leipzig d. 29 Nov. 55
Meine liebe Mila,
herzlich danke ich Dir, daß Du mir gleich und so lieb geantwortet, und daß Ihr mich haben wollt, freut mich auch sehr, aber daß aus meinem schönen Plane, Dich einmal 4 Wochen lang zu haben, nichts werden kann thut mir unendlich leid, doch das Hinderniß ist ja ein erfreuliches, und wünsche ich der lieben jungen Frau eine glückliche Stunde.
Deine Rathschläge mit Wien finde ich ganz gut, ich glaube auch, es ist das billigste mit einer Jungfer dort. Aber wie kommt man gleich zu einer ehrlichen? wie komme ich zu einer Familie, wo ich gemüthlich mich fühle, aber gar nicht genirt bin, in meinem Zimmer allein sein kann, wenn ich will? ich hatte auch schon wegen Logie’s Hebbels um Rath gebeten – ich denke Diese bemühen sich auch darum! Jedenfalls aber bitte ich Dich Deinen Verwandten zu schreiben, daß sie die Wohnung |2| nicht gleich fest miethen, sondern ich erst Genaueres darüber erfahre.
Mit der Rückreise ist mir’s ganz recht, wie Du mir vorschlägst; ich werde also von Wien nach Linz gehen dann zu Euch ect. nur muß das Alles vorbereitet sein, denn viel Zeit wird mir dann nicht bleiben – mündlich, so Gott will, bald mehr und Vieles. Vor Ende Februar wird aber mein Kommen nicht sein können, denn vor <P> Wien, will ich erst nach Prag.
Deine Nachricht von der armen Geibel hat hier sehr bestürzt, ich selbst kannte sie nicht, aber schrecklich ist das Schicksal. Sie war, glaub ich, aus Lübeck?
Wie steht es in München mit Lachner? der mag wohl Nichts wissen von fremden Künstlern? weißt du, daß ich in musikalischer Hinsicht Furcht vor München habe, |3| denn dort sind sie noch furchtbar zurück – das hört man von allen Künstlern. Soll ich in Wien für Empfehlungen an den König von Bayern sorgen? oder interressirt sich der Hof nicht?
Daß Deine gute Mutter so sehr an Melancholie leidet, betrübt mich sehr, es ist schrecklich für sie selbst und für Euch. Ursprünglich ist es gewiß Nervenleiden, und die sind gar so schlimm.
Ueber mich kann ich Dir sagen, daß ich hier auf Händen getragen werde, doch mein Herz ist kummervoll und sorgenschwer, das glaube mir, und viel mehr fühle ich mein Unglück auf Reisen, dann ja getrennt von Allen, die mir lieb sind. Einen Trost, meine Emilie, hat mir der Himmel geschickt, einen Freund, der alles Leid mit mir getragen hat, und wirklich nur thut, was mich erheitern |4| kann, es ist ein junger Componist, Johannes Brahms, ein großer Liebling meines Robert’s, ein Gottbegabter Mensch in jeder Hinsicht. Dieser hat mich so recht eigentlich aufrecht erhalten, immer meinen Muth wieder erfrischt wenn er sinken wollte, kurz er ist mir Freund im höchsten und schönsten Sinne des Wortes. Daß die Trennung von Ihm, wenn ich auf Reisen bin, mir das Reisen sehr erschwert, überhaupt ich dann mein schweres Geschick mit doppelter Wucht auf mir lasten fühle, wirst Du begreifen. Ich bin keine so sanfte Dulderin, wie Du meinst, ach, ich klage oft denen, die mir lieb sind, und manchmal ist mir’s im Herzen so weh, daß ich meine ich müßte laut aufschreien. Doch genug! grüße die lieben Deinen herzlichst, und schreibe bald wieder Deiner getreuen
Clara.
Schreibe, wann es auch sey, nach Düsseldorf, Poststraße 1315.