23.01.2024

Briefe



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ID: 22006
Geschrieben am: Freitag 30.12.1859
 

Berlin d. 30 Dec. 59.
Meine liebe Emilie,
zum neuen Jahre muß ich Dir und Elisen doch meinen innigen Gruß und meine besten Wünsche senden – ich möchte, daß Ihr die Liebe für mich mit in’s neue Jahr hinüber trüget. Ich weiß, Ihr thut es auch so, aber ich denke wenn Ihr seht, daß ich liebend Euerer gedenke, so thut Ihr es doch etwas wärmer. Ich habe immer an Euch gedacht, das glaubt mir, aber es überhäufen mich |2| die Geschäffte aller Art so, daß ich ganze Zeiten lang meine liebsten Beziehungen hintenan setzen muß, wovon Ihr Lieben leider auch den Beweis habt. Oft ist’s mir, als ob es nicht mehr ginge, das viele Schreiben, Spielen, immer von Einem zum Andren dabei der stete Kummer! jetzt bin ich erst seit 8 Tagen hier, hatte meine drei jüngsten Kinder 8 Monate nicht gesehen! – Ich fand Alle prächtig, ich wollte nur, Ihr sähet auch einmal meine Kinder, Alle so nett aussehend, so gut von Herzen, begabt, an mir zärtlich hängend, und doch, bei Alledem kein Glück! wo fehlt Er wohl mehr, |3| als gerade im Kreise seiner Kinder! – Doch genug hiervon. Denk nicht schlecht von mir, ich liebe dennoch meine Kinder zärtlich, doch zu Ihm geht all mein Sehnen – ich fühle seinen Verlust stündlich auf das Schmerzlichste, das macht mich eben so unglücklich.
Ach, wie gern sähe ich Euch einmal wieder! wie geht’s bei Euch? Euerer Mutter, Lina, Kinder? Fritz, wie geht’s mit Ihm? meine zwei Knaben habe ich zu einem Dr Breusing in Bonn gebracht, der nur wenige Knaben hat, und, so viel man nach 2 Monaten urtheilen kann, geht es recht gut. ┌ Bei Stoy’s waren sie geistig u. körperlich vernachlässigt. ┐ Stoy’ haben sich bei der Sache (obgleich ich es so zart wie möglich gemacht, den wahren Grund ganz verschwiegen habe) |4| sehr gemein benommen, ich habe auch 3 Monate umsonst bezahlen müssen, doch ┌die┐ Umstände waren so, daß ich nicht anders konnte, als sie plötzlich wegnehmen. Ich versichere Dir es ließ mir die letzten Monate Tag und Nacht keine Ruhe. Da fühlte ich mein Alleinstehen wieder einmal recht bitter! über Kinder Beschlüsse fassen müssen, ohne allen männlichen Rath, das ist gar zu schwer.
Von mir nur das in Kürze liebste Mila. Ich bleibe jetzt bis zur 3ten Woche Jan. hier, gehe dann nach Holland und Mitte Februar nach Wien – ach, sähe ich Euch doch dort, ist denn gar keine Aussicht? – im Frühjahr werde ich wohl wieder nach England.
Ich muß schließen, schreibe mir, bitte, bald. Meine Adresse ist immer hier „Dessauer Straße Nro 2.[“]
Innigst umarmt Dich
Deine Clara.
Allen Deinen Lieben das Herzlichste.
Erzähle mir recht viel, liebe Emilie.
<> Daß Marie Mendelssohn Braut wißt Ihr wohl?

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Absendeort: Berlin
  Empfänger: List, Emilie (962)
Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
373ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides; Abschr. (gek.) in Copien-Mappe Marie Sch.
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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