23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22008
Geschrieben am: Samstag 20.05.1871
 

Baden d. 20 Mai 1871.
Liebste Mila,
sey uns nicht bös, daß wir so saumselig waren, aber wir waren wirklich furchtbar in Anspruch genommen, Marie durch häusliches seit 14 Tagen (vorher schrieb sie nicht, weil sie noch hoffte mehr sammeln zu können) und ich durch Anderes, was sich im Verlaufe des Winters angehäuft hatte. Es ist nun leider nicht sehr viel was wir haben – ich verstehe schlecht das Mahnen und Bitten – es thut eben jeder nach seinen Kräfften, was er kann! bin ich auch keine gute |2| Sammlerin, so brachte ich doch manch <nicht kleines[?]> Scherflein durch Concerte! wir gaben z. B. in Berlin (Joachim und ich) Concert welches an 1 400 Thl brachte, später noch Andere ect.. Ich erzähle Dir das, weil ich doch nicht in dem Verdacht bei Dir stehen möchte, als habe ich nichts gethan für unsere herrlichen Krieger.
Nun, Du erhälst verschiedene Blätter Roberts – es ist schwer etwas zu finden, weil es meist, entweder unvollkommene Skizzen, oder ganze Werke sind, die dann doch <von> für Musiker von großem Interesse sind und ich nicht vergeben kann. Also nimm Fürlieb mit den einzelnen Blättern. |3| Marie sendet auch verschiedene in England erhaltene Handschrifften. Der Lind sagte ich es mehrere Male, sie versprach mir auch, vergaß es aber wohl. Ich glaube Frau Kaulbach’s Bitte wird vielleicht mehr fruchten, weil sie dann doch gezwungen ist zu antworten.
Die Adresse in Karlsbad ist: Nadler Heyer,
<S> Hirschensprunggasse im
Königstein.
Ich fand die Wohnung höchst angenehm ┌Ihr müßt natürlich Alles veraccordieren, und nur per Woche miethen. ┐, so nahe am Walde, durch den man an alle die hübschen Orte: Posthof, Freundschafts-Saal u. A. gehen kann, ohne von der Badewelt etwas zu sehen. Ist man |4| jedoch mehr dazu aufgelegt, so ist es auch den mehr frequentirten Spatziergängen ganz nahe. Ich hatte Professor Segen, und war sehr zufrieden, besonders auch damit, daß er nicht darauf bestand, daß ich früh um 5 Uhr an den Brunnen ging, sondern ganz zu der Zeit, wo ich aufzustehen gewöhnt war, da war es dann schon immer leerer an den Brunnen. Bei Segen’s findet man auch nette Gesellschaft. Kennst Du sie? wenn nicht, und Du wünschest es, kann ich Dir ein paar Zeilen schicken. Wir frühstückten jeden Morgen in irgend einem Garten – sehr hübsch war es besonders in einem Garten auf der Mitte des Kreuzberg; |5| unten am Fuße, der Kirche gegenüber war ein ausgezeichneter Bäcker, da nahmen wir uns dann herrliches Gebäck mit, und saßen, durch kein Gebrause von Menschen incommodirt bis 10–11 Uhr im Garten, bei reizender Aussicht. Ich sehne mich förmlich wieder hin, wenn ich daran denke. Schreibe mir wenn Ihr reist.
Wir wollen auf Scheideck für 3–4 Wochen und zwar Anfang Juli. Ich möchte während dessen mein Haus vermiethen, wenn Du etwas hören solltest von Leuten ohne Kinder, die Lust dazu hätten.
Geht doch ja nicht zu spät nach Carlsbad – es |6| wird dann zu heiß. Ich war immer im Mai dort.
Jetzt Adieu, meine theuere Emilie. Sey uns nicht bös! Mariens Brief hat sich übrigens neulich wohl mit dem Deinen an Frl. Leser gekreuzt. Von Bendemann wirst Du nun wohl auch erhalten haben.
Ich bin sehr beschäfftigt, daher die Flucht! verzeihe, und seyd mir Alle aufs innigste gegrüßt. Schreibe mir, bitte, von Euch und Hedwig. Wie geht es Lina?
Deine alte treue
Clara.
Ich sende diesen Brief voraus.
|7| P. S. Brahms, der schon lange hier ist (früher als ich kam) will mir nichts von sich geben für Euch – er sagt, das sehe lächerlich aus, seine Handschrifften nützen Euch nichts. Uebrigens fällt mir noch ein: warum wollt Ihr den Verkauf nicht in Amerika machen? in Deutschland werden Handschrifften nicht bezahlt, da macht Ihr sicherlich ein schlechtes Geschäfft.
Nota bene: Wenn Ihr nicht gern in ein Hôtel erst geht (in Carlsbad) so könntest Du an die Leute schreiben und das Logie, bestehend aus einem großen sehr freundlichen |8| Zimmer und daneben ein Stübchen mit 2 Betten (sehr gute Betten,) bestellen für den Tag, wo Ihr hinzukommen denkt. Du könntest Dich auf mich berufen.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
510-514

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides; Abschr. (gek.) in Copien-Mappe Marie Sch.
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.