23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22009
Geschrieben am: Samstag 19.08.1871 bis: 20.08.1871
 

Baden d. 19 Aug 1871.
Liebe, theuerste Mila,
eben bin ich von Moritz zurückgekehrt, und nachdem ich das Nöthigste erledigt, will ich Dir meinen Gruß und Dank für Deinen lieben Brief senden. Du kannst Dir denken, wie er mich freute und interressirte. Wie froh bin ich über Elisens Wohlbefinden, und wie sehr darf man hoffen, daß ihr die Carlsbader Cur recht gut bekommt. Es freut mich daß Ihr Segen mochtet – ich habe ihn sehr gern, sehe ihn öfters in Wien, und er hat einen |2| sehr ausgebreiteten Bekannten-Kreis, so daß man immer interressante Leute auch bei ihm findet. Ich habe es in Carlsbad, was die Gesellschaft betrifft nie so glücklich getroffen wie Ihr, weil ich eben immer sehr früh hinging, und gerade immer abreiste wenn die Leute kamen, mit denen ich so gerne verkehrt hätte. Nun seid Ihr in dem schönen Schönau, und genießt das Zusammenseyn hoffentlich recht ungetrübt! Warum können wir doch nie zusammen an einem Orte sein! ich dächte Euch müßte doch die Luft in Moritz auch sehr gut thuen! Du verlörest gewiß alle Migräne, denn für Diese giebt es kein besseres Mittel, als hohe |3| Bergluft. Das sagte mir noch diesen Morgen Livia Frege (die mich gestern hier überraschte) – sie leidet, wie Du Dich erinnern wirst, furchtbar an Migräne, aber verliert sie jedes Mal in hohen Berggegenden. Du könntest Dich doch ’mal uns anschließen, wenn der Arzt es Elisen nicht erlauben sollte?
Die Luft hat mir wieder ausgezeichnet wohl gethan, nur hatte ich das Mißgeschick durch einen Schmerz am Fuße, an dem man aber gar nichts sah, gänzlich am Gehen gehindert zu sein, so daß ich nur fahren konnte, oder auf einem Flecke sitzen. Das hat mir natürlich sehr den Aufenthalt getrübt, dann aber hatte ich schwere innere Kämpfe durchzumachen, über |4| die ich aber nicht schreiben kann. Wenn wir uns ’mal sprechen, meine Mila, dann schütte ich mein Herz aus. Ach, man macht so Vieles im Leben durch, so Schweres mit den Kindern, und, wenn sie die Besten sind, so muß doch eine Mutter sich üben in Resignation, und das fällt mir enorm schwer! –
D. 20 Gestern wurde ich unterbrochen, heute kann ich Euch Juliens glückliche Niederkunft mit einem zweiten Jungen melden. Sie hatte sich sehr eine Tochter gewünscht – nun, es wird auch noch kommen! – Marie und Felix haben sie von Moritz aus besucht, und Marie kann nicht genug von ihrem Glücke mit |5| dem Manne und dem überaus reizenden Kinde erzählen. Er trägt Julie auf den Händen und thut ihr Alles zu Liebe, eben so sie ihm. Nun, was will man mehr? und doch wie anders wäre es lebten sie in Deutschland – ich verwinde diese Trennung doch nie.
Man redet mir von allen Seiten so sehr zu zu dem Passionsspiele nach Oberammergau zu gehen, und ich werde es im Septbr wohl thuen, wobei mir nur es sehr hart ist, Euch nicht in München zu finden! Könntest Du mir vielleicht ein Hôtel nennen (in München) wo |6| ┌ich┐ eine Nacht gut logiere? ich meine reinlich, und ein gutes Bett finde? dann könnte ich mir 1 Zimmer bestellen vorher, das ist im Sommer immer sicherer.
Wie wundervoll muß Euer Gartenfest für die Soldaten gewesen sein! wie oft habe ich mir gewünscht, wenn ich nur eine solche Festlichkeit hätte mit erleben können! ich bedauerte vorher (ehe ich Deinen Brief bekam) so sehr, daß Ihr zum Einzuge der Truppen nicht da seyd, und freute mich nun sehr, als Du mir von Euerer Rückkehr schriebst. –
Unseren Ferdinand erwarten |7| wir nun nächste Woche für einen Monat. Er ist noch in Italien, hat Julie besucht, und noch etwas herumgereist.
Mad. Erard sah ich öfter in London, und hatte neulich Brief von ihr, worin sie mir sagt, daß sie, trotz Allem, wenig Verluste gehabt, nur die schönen Bäume auf der Muette beklagen, die Alle niedergehauen, und die ihr Mann zum großen Theil selbst gepflanzt gehabt habe. Das sind prächtige Menschen, die Erard und ihr Schwager Schaeffer (Elsässer), der jetzt das ganze Geschäfft hat. Wie haben Diese Alle mich gedauert! wie schrecklich war ihre Lage in London! 8 Monate waren sie von |8| Paris schon fort! –
Wie Vieles hätte ich Dir zu erzählen, doch da wäre eben kein Aufhörens, und schrifftlich befriedigt Einen das <s> doch so wenig! –
Leb wohl, Theuerste, grüße herzlichst Elise und Hedwig, laß mich bald wieder von Euch hören und sey umarmt in alter Liebe von
Deiner
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
519-523

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides; Abschr. (gek.) in Copien-Mappe Marie Sch.
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

Fehlerbeschreibung*





Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.