Berlin 5/4. 74.
<10.> In den Zelten 11.
N. W.
Meine liebe Emilie!
Ich hätte Deinen Brief schon wieder beantwortet, wenn ich nur selbst schreiben könnte. – Eine so flinke Sekretärin wie Du bist, habe ich nicht immer zur Seite; Ich will Dir nun heute in Kürze Einiges von uns sagen; leider ist es nicht nur Gutes. Ich mußte mich entschließen, nach dem Rathe dreier Ärzte Felix nach Montreux zu schicken, da sie es für gefährlich hielten, wenn er das Frühjahr hier erwartete; er konnte 3 Monate nicht aus dem Zimmer, u. hustete sehr viel. Jetzt ist er nun seit fast 14 Tagen in Montreux, u. schreibt daß es himmlisch dort sei, u. ihm wohl thue. Wie schwer es mir geworden, den Entschluß zu fassen, kann ich Dir nicht beschreiben; schwer trage ich an der Sorge um ihn u. der Täuschung, denn an seine |2| Rückkehr nach dem Norden ist, <unter> wenn er hergestellt wird, doch nicht zu hoffen.
Mir geht es noch immer nicht besser, ich gebrauche aber immer noch die Cur fort, u. will, so bald es warm wird (ich denke Ende April) nach Töplitz, auf 4–5 Wochen. Dann wollen wir für den Juny nach Baden, u. im July mit Felix in Engelberg zusammentreffen, dort einen Monat bleiben, u. dann das Bayrische Hochgebirge etwas kennen lernen, um uns für nächstes Jahr vielleicht einen Ort auszusuchen. Das sind so ungefähr meine Pläne.
Daß der schreckliche Winter für Euch vorüber ist, bin ich von Herzen froh – wäre nur Hedwig erst wieder wohler, das ist doch eine rechte Sorge für Euch! Euch wird der Sommer auch recht zerstückelt, wie ich aus Deinen Berichten ersehe. – Da Ihr wieder nach Schönau geht, |3| so sehe ich keine Aussicht, Euch im Sommer zu sehen, was mir sehr leid thut!
Dein Bericht über Brahms freute mich sehr; wohl hatte er mir von München aus geschrieben, von seinem großen Succes aber kein Wort, nur von „freundlicher Aufnahme“. Von Lewy höre ich auch gar nichts. <Hast Du de>
Hast Du Pausir-Pulver erhalten,? ich schrieb an die Leute, es Dir direkt zu schicken.
Weißt Du, daß Frl. von Crailsheim von Marmorito fort ist? die hat sich dort sehr schlecht benommen; über alle Begriffe ordinäre. – Sie hat mit den Mädchens geheime jesuitische Gesellschaften besucht, u. als Marmoritto sich das verbeten, ihm erwiedert, sie lasse sich in die Erziehung nicht hineinreden. Nun muß man aber Marmoritto kennen, um zu wissen, <d> wie rücksichtsvoll er gerade in diesem Punkte ist, |4| so ging es dann also nicht mehr. Wir hatten das Glück, ein sehr nettes Mädchen aus guter Familie zu finden, u. diese ist nun bereits dahin. Eliese sah die Kinder neulich auf der Rückreise von Italien flüchtig, geht aber nächsten Monat auf 14 Tage wieder hin; sie hat mich jetzt 8 Tage hier besucht, u. ist entzückt von dem Liebreiz der beiden Kinder u. deren Spiritus, den Beide zu entwickeln scheinen.
Die Adresse von Bamberger ist Hôtel Royal. Leider ist seine Frau schwer krank in Paris, u. mußte er vor einigen Tagen wieder dorthin, kommt aber zurück. Ist es Dir vielleicht lieb (der Sicherheit halber) so schicke mir doch das Buch, dann will ich es sicher in seine Hände gelangen lassen.
Nun sei mir herzlichst gegrüßt mit all den Deinen; Hedwig u. Elisen wünsche ich von Herzen eine recht ungetrübte Reise – hättest Du doch unterdeß zu uns hierher kommen können! doch ich seh wohl ein, daß das nicht anginge.
So denn in alter Treue
Deine
Clara.