Frankf. a/M. d. 8 Nov. 85.
Lieber, verehrter Freund,
wie von Herzen gern nenn ich Sie so – Sie mit Ihrem tiefen Blick haben meine verehrende und innige Gesinnung für Sie erkannt, ohne daß es meiner Worte bedurfte. |2| Dies aus Ihren lieben Zeilen zu sehen war mir eine Herzens-Freude. Wie viel denke ich der schönen Zeit, die mich, so kurz sie auch war, um eine theure Erinnerung meines Lebens reicher gemacht. –
Möchte es uns doch vergönnt sein öfter noch im Leben mit Ihnen und Ihrer lieben Frau zusammenzutreffen. Ich denke oft an Florenz – und wie gern! –
|3| Schon längst hätte ich Ihre Zeilen beantworten sollen, aber, diese letzte Zeit brachte mir viel Schweres in meiner Familie, viel traurige Schreibereien waren damit verbunden, und so unterblieb es – ich hoffe Sie haben mich deshalb nicht für undankbar gehalten.
Ich habe Ihnen auch noch zu danken für die Photographien, die mir Herr Huth schickte. Drei davon fand ich etwas verschwommen, die anderen characteristischer, |4| wenn auch härter, männlicher. Zu meiner Verwunderung erfuhr ich nachher, daß Sie die blasseren Abnahmen besser gefunden.
Unsere Freunde in Berlin scheinen sich noch nicht heimisch in Berlin zu fühlen, das kann aber auch noch nicht sein. Ob es kommen wird? soll man es wünschen oder nicht? ich weiß nicht einmal, ob ich es ihnen wünschen soll.
Nun sage ich Ihnen, lieber Hildebrand, Lebewohl. Ich hoffe, ich höre ab und zu indirect von Ihnen Beiden, directe Nachrichten zuweilen zu erhalten wäre wohl eine große Freude, aber, unbescheiden fände ich meine Bitte darum.
Mit den Töchtern grüße ich Sie herzlichst
Ihre
Clara Schumann.
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