23.01.2024

Briefe



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ID: 22211
Geschrieben am: Donnerstag 21.10.1886
 

Frankf. a/M d. 21 Octbr 86. 32 Myliusstrasse.
Lieber Freund,
was dachten Sie wohl daß ich so lange schwieg, während doch kein Tag verging, an dem ich nicht Ihrer dankbarst gedacht hätte! Ein Hauptgrund war aber der, daß ich Ihnen zugleich den Empfang der Büste melden wollte, die später kam, als ich es gedacht hatte. Ich machte unterdeß noch einen Abstecher nach Düsseldorf und fand sie vor einigen Tagen bei meiner Rückkehr erst hier vor.
|2| Meine Kinder sind ganz entzückt über ihren Besitz, und Jeder, der sie sieht, ist voll Bewunderung Ihrer hohen Künstlerschaft, wobei ich dann die innigste Freude empfinde. Aber, wir können uns noch nicht recht entschließen wegen der Aufstellung. Ich möchte doch eine Marmor-Säule haben, aber welche Form? doch wohl auf der Säule ein 4 eckiges Gestell, so wie Sie es im Atelier hatten, worauf man die Büste drehen kann. Welche Farbe wäre am schönsten? braun, röthlich, grün? doch wohl nicht weiß? wäre die Höhe von 1 Mêtre 10 Cmt wohl recht? welche Stärke müßte die Säule haben um im rechten Verhältniß zur |3| Büste zu stehen? das scheint mir auch wichtig, die Säule darf doch ja nicht zierlich aussehen. Helfen Sie mir lieber Freund, u. thun Sie sich Gewalt an mir ein paar Worte zu schreiben, wo ich dann freilich auch noch um einige mehr bitte, in denen Sie mir sagen, wie es Ihnen und Ihren Lieben geht? Ach, der Morgen der Abreise von München war so schwer – es ist so unsäglich traurig, wenn man in meinem Alter Menschen noch so lieb gewinnt, und dann nichts mehr von ihnen hört! – An dem Reisetage konnten wir Sie nur bis Baden bis zu Ihrem Wiedersehen mit Ihrer theuren Frau ver-|4|folgen, dann war es aus! –
Eugenie hat hier noch einige Wochen gelegen, ist aber jetzt auf der Besserung. Mir geht es leider gar nicht gut, ich leide viel an den Gliederschmerzen, doch, das bringt eben das Alter mit sich, u man muß resigniren lernen, nur ist dies furchtbar schwer, wenn es sich bis auf die Ausübung der Kunst erstreckt, man sich in dieser beschränken muß während ┌doch┐ der innere Mensch fort strebt, u. wächst in der Beherrschung derselben.
Zum Schluß noch eine Bitte, lieber Hildebrand, von uns Dreien, daß Sie, sollten Sie je nach Frankfurt kommen, bei uns absteigen. Ich weiß, Sie |5| nehmen Fürlieb mit unserem einfachen Haushalt – welche Freude würde uns das bereiten! –
Eben, während ich hier schreibe, kommt ein Brief von der Herzogenberg, der mich hoch erfreut. Wie reizend fein spricht sie über die Büste – wer doch wie sie Alles so treffend und geistvoll in Worte kleiden könnte! – Gewiß hat sie Ihnen selbst darüber geschrieben. –
Denken Sie, daß der armen Schwester eine Trennung von ihren Kindern bevorsteht, da der Mann diese für eine Zeit lang beansprucht. Welches Schicksal.
|6| Ich sage Ihnen nun Lebewohl! die Kinder senden ihre dankbarsten Grüße, und ich bin in warmer Freundschaft
Ihre
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Hildebrand, Adolf (2432)
  Empfangsort: Florenz
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
1027ff.

  Standort/Quelle:*) D-Mbs, s: Ana 550
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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