23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22431
Geschrieben am: Sonntag 26.11.1854
 

Hamburg d. 25 Nbr 54.
Theuerste Freundin,
Wie liebevoll blickt mich das trauliche „Du“ an! Tausend Dank dafür, ich kann’s nicht genug ansehen u. lesen, hörte ich es doch erst; selten habe ich das Wort so entbehrt, als beim Lesen Ihres letzten Briefes.
Ihr Auftrag an Heins (nicht Heinz!) (etwas muß doch Prinz Heinz schon im Namen voraus haben!) ist bestens besorgt, schon am ersten Tag, es ist |2| ihm Alles recht, Ihr Instrument bleibt so lange stehen, bis Sie schreiben, vertauscht wird es nur, wenn er ein ganz besonderes machen würde, u. das ist Ihnen wohl Recht?
Sie können sich übrigens felsenfest auf Hrn. Heins als Arbeiter verlassen. Hr. Avé habe ich gesprochen, er wird Ihnen nächstens ein Paquet (ich glaube mit Zeugen) schicken, was aus England gekommen ist. Der Stimmer ist bezahlt, die Rechnung folgt mit, 5 Th hat das Comité zu bezahlen. Ave wirds besorgen 1 rh für Porto geht ab.
etc. etc.
Unsre Reise von Hannover war recht sehr traurig, ich konnte meine |3| Phantasie nie so hoch schrauben, Grädener für Sie zu halten.
Wir fuhren pr. Kahn über die Elbe, Frau Gr. war ganz prächtig, so heiter u. ruhig.
Gestern war Concert hier, eigentlich Mehrere
Ballin
Hildebrand-Romberg
Gurlitt
Degenhardt
rechte Pepita im Stadttheater
falsche Pepita im Thaliatheater
<Ich war> Frl. L. Japha spielte bei Romberg: Polonaise von Jul. Schäffer u. Fis moll Presto von sich.
Ich war bei Grädener wo ich das Scherzo in h moll von Grimm u. die beiden Hefte Stücke von Bargiel spielte.
Hätte Bargiel uns nur gesehen, er wäre |4| gewiß recht glücklich gewesen über unsre Liebe zu ihm.
Avé mußte auch mehr, als ihm Talent zusprechen.
Grüßen Sie ihn doch recht freundlichst von mir. Ich möchte wünschen wir hätten ihn einmal einen Sommer unter uns, er sollte schon heiter werden.
Grädener hat eine Studie in Bach’scher Manier gemacht (für 5 Stimmen u. Orchester od. Orgel[)], die er seiner Akademie als Bach gegeben hat u. auch öffentlich unter Bach’s Namen vorführen will. Gestern spielten wirs dem Hrn. Avé 4händig; der große Bachianer sagte natürlich Nichts.
Vor solchen Namen sollte man Scheu, heilige Scheu hegen u. ihn nicht miß-brauchen, ich sagt’s auch Gr.
|5| Ich mystifizire auch gern mit Namen, aber Kullack allerhöchstens Mendelssohn müssen herhalten.
Ferd. von Roda führt ein Oratorium auf: „Der Sünder“! Schöne Auswahl hat er: von Kain bis Brahms! Wer wird’s nun sein?
Meine Eltern u. Schwester sprechen beständig von Ihnen, Mutter nennt Sie immer einen Engel! Ich soll Ihnen 1 000 Dank sagen für die schönen Stunden, die Sie uns gewidmet haben.
Ach wenn ich Ihnen danken könnte, für die vielen herrlichen Stunden die ich durch Sie hatte!
Sie schreiben mir, daß Ihre Concerte den 15ten beendet sind. Gehen Sie dann gleich nach Ddf.? Schreiben Sie mir’s doch, |6| damit ich mich früher freuen kann.
Nachrichten von Ihrem theuren Mann erwarte ich jetzt so ruhig, es können nur bessere, bald die besten sein.
Ich habe daran gedacht, ob es nicht am besten sei, wenn Sie sich z. B. bei Deichmanns zuerst sprächen u. vielleicht dort einige Zeit blieben?
Was meinen Sie dazu?
Das Wiedersehen in Endenich würde doch sehr traurig sein, d. h. der Gedanke, in welchem Hause Sie seien, könnte sie [sic] traurig machen, in Ddf. ists unmöglich.
<Bei> Deichmanns besitzen ein Haus in Godesberg, welches ganz unbewohnt ist, sie würden sich gewiß unendlich freuen, wenn sie Ihnen die erste Zeit angenehmer machen könnten.
|7| Schreiben Sie mir doch Ihre Meinung darüber mit, es ist wirklich zu bedenken, Godesberg ist nur ½ St. von Endenich.
Leben Sie recht wohl, theuerste Frau u. behalten Sie mich recht lieb. Grüßen Sie Bargiel etc. etc.
Ihr
Johannes.
Noch einen prächtigen Witz muß ich Ihnen erzählen.
Als Gestern Grädeners Knaben aus dem Concert Rombergs kamen, frugen wir „was denn Frl. Japha gespielt hätte?“ Frl. Japha? – die hat nicht gespielt, eine Madam Schäffer! Wie doch ein Kind schon boshaft sein kann! V. Sub.
|8| Nb. Ich möchte das arrangirte Quintett gern an Härtels schicken, schreiben Sie doch, ob Sie unsern Pfiff des Exemplars wegen noch nicht gebraucht haben, thuen Sie es sonst nicht mehr, ich muß nämlich Reisegeld zum 15ten schon bekommen. Finden Sie 6 Ldr’s für das Arrang. nicht zu viel?
Ueberhaupt schreiben Sie doch recht bald wieder u. zwar so:
Lieber Johannes
Du – –
Ihr treuester Freund
J. B.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
231-236

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,14
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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