23.01.2024

Briefe



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ID: 22446
Geschrieben am: Sonntag 10.12.1854 bis: 12.12.1854
 

Hbg. Dec. 10–12 1854.
Meine herzliebste Freundin,
Wie glücklich machen Sie mich immer durch Ihre lieben Briefe u. Heute besonders, durch das prächtige Bouquet! Es ist wunderreizend, in Ddf. sollen Sie’s wiedersehen.
Als Unterlage habe ich diesmal einen herrlichen Schatz! Die Partitur zur Alceste! Es ist eigentlich eine Schande, daß ich über das herrliche Recitativ <so> (im 2ten Act) meine dürren Worte trippeln lasse, aber Sie sollen sie ja gar lesen! das tröstet mich Gluck’s wegen. Denken Sie, Avé hat mir die Partitur geschenkt! |2| Die alte italiänische Ausgabe von 1779. Erzählen Sie’s doch Joachim, er wie Sie kann sich meine Freude denken. Joachim hat mir den Brief u. seine großen Ouverturen geschickt, ich werde ihm selbst schreiben, könnt ich ihm nur auch schreiben, wie sehr hoch ich die Ouverturen verehre, welch ein Schatz sie mir sind u. wie doppelt lieb mir die Handschrift ist. Mich faßt immer neu ein Staunen, wenn ich sie ansehe, über diese riesige Shakespear’sche Fantasie u. über diese gluthvollen Melodien, die brennen wie Eisen.
Das wird Ihnen nicht lächerlich scheinen, denn Sie haben das Eisen brennen sehen, ich muß es oft denken.
Wie stolz u. froh macht es mich, zu denken, |3| daß es noch Menschen mit solchem Herzen giebt, so warm, so weit.
Von meinem Leben hier! mag ich Ihnen gar nicht viel schreiben, ich sehne mich immer mehr fort nach Ddf. Es ist wirklich schwer, hier auszuhalten, wenn man Sie Beide in Berlin weiß u. das Wiedersehen so nahe ist.
Bei Otten war ich Sonntag wieder, er hat sich sehr über Ihren Bruder gefreut, Heute soll er beide Werke hören die ich besitze. Von selbst entdecken die Leute Niemanden.
Mein Trio werde ich 3 mal spielen müssen dem Hrn Otten, ich habe ihm einen Finger gegeben u. daran zieht er jetzt den ganzen Kerl, da hilft kein Protestiren, er begreift nicht, daß ich ihn sehr lieb habe, gern ihn allein besuche aber nicht gern |4| seine Verwandten kennen lerne u. mein Trio so oft u. mit Verschiedenen spiele.
Avé ist in der Hinsicht rücksichtsvoller, oder besser zu regieren.
Ich bin ganz glücklich, daß es Ihnen in Berlin so gut geht, schöne Programme haben Sie mir geschickt <E> u. mir damit den Mund recht wäßrig gemacht!
Da fällt mir ein daß ich das Quintett noch immer nicht abgeschickt habe! Sie werden recht böse sein, nicht wahr?
Grimm ist wohl nicht in Berlin? er <sch[?]>bittet mich um Brief, schreibt aber nicht ob er in B. od. Hann. ist. Der Arme muß diese Zeit am traurigsten verleben.
Was haben Ave u. Otten für herrliche Bibliotheken! ich war immer ganz selig im Anschauen!
|5| Den Hrn. Schmidt aus Lübeck habe ich bei Otten getroffen, offen heraus gesagt, gefällt er mir nicht. sonderlich.
Hr. Avé u. Otten waren ganz glücklich über die Briefe Ihres theuren Mannes, es ist Ihnen doch recht, wenn ich solchen Leuten meine Abschriften zeige?
Zum nächsten Bericht möchte ich Ihnen denn alles mögliche Gute wünschen, das Schönste! einen Brief von Ihm.
Gewiß verführt Seine Handschrift u. Vieles den Ärzten Unverständliche in S. Briefen, sie zu den herben Aussprüchen.
Sollte der Theure viel bälder, als sie denken, völlig genesen, so würden sie sich ebenso verwundern, wie über Sein Verlangen nach Briefen von Ihnen u. über seinen Ersten.
Ein Fragezeichen stand in Ihrem vorletzten Brief, das mich ganz aus mich selbst gebracht hat, ich mag den dazu |6| gehörenden Satz nicht wieder schreiben, ja kaum daran erinnern; wenn es Ihr Ernst wäre, was Sie schrieben, so wäre ich himmelfroh entzückt! Fangen Sie wieder davon an oder nicht.
Vielleicht dachten Sie nicht so viel darüber nach wie ich jetzt.
Joachim, Bargiel, von Arnims etc bitte ich sehr zu grüßen.
Auf den 20ten muß ich warten, das ist so schwer, könnte ich doch gleich zu Ihnen kommen.
Von Donnerstag früh an werde ich wieder sehnsüchtig Brief erwarten, durch einige Worte machen Sie mich glücklich.
Ganz u. gar der Ihrige
Johannes.
Grädener läßt 1 000mal danken, er wird Ihnen schreiben.
Ich glaube bestimmt, daß sich mit Bülow Alles schön geordnet hat, schreiben Sie mir doch davon! Eltern u. Schwester lassen schönstens grüßen.
Was Sie mir da schreiben „von der Schande die Sie Joachim machen, nicht mehr öffentlich spielen könnten,“ das kann ich hier an der Seite abfertigen: Es ist reiner Un-
O! Sie Beste der Frauen!
NB. Ihr neues Siegel ist mir bedeutend aufgefallen! woher, von Wem kommt das?

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
258-262

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus.Nachl. K. Schumann 7,20
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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