23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22465
Geschrieben am: Dienstag 06.02.1855 bis: 07.02.1855
 

Innig verehrte Freundin,
Heut’ Abend wollte ich das ganze Adagio a. d. Quartett abschreiben, ich bring’s nicht zu Ende, ich muß wenigstens unterbrechen, um Ihnen einige Worte zu schreiben.
Vor Allen, herzliche Dankesworte für Ihren heutigen Brief.
Den ganzen Tag strahlte mein Gesicht, <sogar> Bertha wunderte sich mehrmals. Noch heute früh schrieb |2| ich Ihnen, daß ich’s anders erwartete. Wie sind Sie gut u. liebevoll! Dank auch für das Programm, Sie schreiben immer so wenig über Concerte, weshalb das? Weil ich nicht danach besonders frage?
Nach Berlin werden Sie doch nicht gehen? Ich rathe nicht gern hierin, weil ich immer fürchte egoistisch zu scheinen. Aber jetzt bin ichs wirklich nicht, ich meine: das ist zu viel, das können Sie nicht aushalten, Sie müssen Sich ausruhen u. auf die engl. Reise gefaßt machen.
Ich bitte Sie dringend, überlegen Sie |3| es noch sehr, mindestens schreiben Sie noch nicht fest zu!!
Bei Klems war ich Heute Abend, Es war ein Düsseldorf-Kölnisches Schiff mit dem der Flügel (am Tag Ihrer Reise) fortkam. Den Tag haben Sie so gut in Ihrem Tage- wie Klems in seinem Rechnung-Buch.
Der Brief (ein schöner!) an Ihren Robert mit dem Catalog ist besorgt, auch jener an Senff. Auch ich hatte die Notiz gelesen u. mir vorgenommen, nächster Tage ähnlich – aber gröber – an ihn zu schreiben, nach manchem Ueberlegen schickte ich auch diesen Brief fort.
Was Sie mir von Verhulst schreiben |4| hat mich recht geärgert.
Helene Berg habe ich gar nicht im Concert gehört, ich bekam kein Billet u. wollte (konnte mir nicht gut) eins kaufen.
Die Anstalten u. Intriguen hätten Sie sehen sollen, die ich machte um eins zu bekommen, der neu verbesserten Orgel wegen.
Ich besuchte Hasenclever, die Hündin von Adel sagte Tausch von meinem Hiersein, der sich bedankte, daß sie ihn darauf aufmerksam machte etc. etc. Ich bekam doch keines.
Jetzt sind Sie hoffentlich im Bett u. Frl. Agnese hat wieder die Nachtmütze mit dem riesig langen Zipfel auf, der zum Bett hinaus hängt – ob Sie <sich> wohl Heute noch meinen Brief bekommen haben u. mir recht freundlich sind, daß ich so gut zu machen suche?
|5| Mir ist so schön, so friedlich u. ruhig zu Muthe, es ist so still, Ihr Bild sieht so freundlich auf mich nieder, ich möchte die Nacht hier bleiben, recht innig an Sie denken; vielleicht denken Sie jetzt auch an mich, mir ists ganz so.
Möchte doch diese Zeit recht bald vorüber gehn, wie sehne ich mich nach Ruhe – für Sie. Wären Sie doch erst ganz glücklich wieder, lange genug haben Sie gelitten u. schwer genug.
Wie selten sind mir Augenblicke solcher Ruhe wie jetzt, ich glaube, wenn diese Zeit vorüber, dann kommen sie öfter, hatte ich sie doch früher, trotz manchem großen Leid, weil ich eben nicht <Sie> das Jetzt vorüber u. eine |6| baldige bessere Zeit hoffte.
Jetzt denke ich doch zu viel an Sie, es läßt mir wenig Ruhe.
Eins habe ich mir vorgenommen, ich will mir für die englischen Briefe feines[,] ganz feines Notenpapier anschaffen u. Ihnen bisweilen ein Lied od. eine Melodie statt Worte schicken.
[es folgen zwei Notenzeilen]
Es sagt immer mehr, als meine Worte. Aber es geht auch ohne Notenpapier!
Heute Mittag sagte ich den Knaben, Sie hätten mir Küsse für sie mitgeschickt, die seien mir entgegengeflogen, daß ich mich ordentlich erschrocken! Da kamen |7| sie denn zu mir u. holten sie sich. Ich mußte sie aber improvisiren denn sie waren zu wenig leibhaftig!
Nun weiß ich Ihnen Nichts mehr zu schreiben, als tausend, tausend herzliche Grüße, es kann Sie Ihnen Niemand herzlicher senden als Ihr
Johannes.
Noch Eins! Sie müssen mir ja ganz genau Ihre Abfahrt u Ankunft schreiben, daß ich <Ihnen> Sie auch vielleicht in Oberhausen schon sehen kann. Weshalb wollen Sie Sonnabend reisen, da Donnerstag das Concert ist?
Schreiben Sie doch noch Einmal!
Ich habe das Andante noch fertig geschrieben – noch eine schönste Nacht.
|8| Guten Morgen, Vielliebchen!
Denken Sie, was ich die Nacht träumte. Ich hätte meine verunglückte Sinfonie zu einem Clavierconcert benutzt u. spielte dieses. Vom ersten Satz u. Scherzo u. einem Finale, furchtbar schwer u. groß.
Ich war ganz begeistert.
Viel habe ich auch von Ihnen geträumt u. Schönes.
Schreiben Sie mir doch ja über die Abreise u. weshalb nicht Freitag!
Grüßen Sie Frl. Agnes, wann hat sie denn mit Ihnen gespielt? Sie möchte auch nicht zu viel in den Ofen werfen, sonst geht er aus u. sie möchte mir gut sein, trotz meiner Neckereien.
Ach, jetzt sieht der lange Klunker grade zum Bett hinaus u. sieht zu ob’s schon Tag ist u. thut einen Angstschrei wenn ein Jüngling zur Thür eintritt (der Klunker.)
Sie beißen wohl grade in ein Holl. Käse-Butterbrod? Guten Appetit!
Viele Grüße an Beide von
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Rotterdam
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
295-300

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,82a/b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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