23.01.2024

Briefe



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ID: 22474
Geschrieben am: Donnerstag 08.03.1855
 

D. 8ten März 55.
Liebe Frau Clara,
Endlich, nach langem Warten wieder ein lieber Brief von Ihnen, u. wie lieb u. schön!
Gestern Abend fanden Sie denn wohl noch meinen Brief vor in Berlin m. d. Concertstück, Heute früh den 2ten, Morgen diesen.
Recht scharfe Vorwürfe bekomme ich ja in heutigem Brief! Nun, Sie können mich gern darauf verklagen, nicht daß ich mein Recht verfechten wollte, ich habe, wie oft, Unrechtes geschrieben. |2| Aber ich könnte grade Ihren heutigen Brief dagegen halten, da machen Sie es viel ärger! Nehmen Sie Sich in Acht, daß ich nicht den Prozeß anfange!
Was soll denn immer das etc. etc., wenn Sie von Ihrem Kommen schreiben. Ist das Frauen-Concert denn wirklich auch Sonnabend u. das Planet-Concert, ist das auch? Wollen Sie uns nicht vielleicht überraschen?
Grüßen Sie mir doch, nach Ihnen alle<n> Bekannte in Berlin, vor Allem Joachim, dann Ihren Bruder H. Grimm u. besonders Fr. v. Arnim.
Ich lese wieder viel in Ihren u. |3| Brentano’s Briefen.
Immer höher lernt man <S>sie lieben u. verehren. Sie müssen die Briefe lesen vor all’ ihren andern Werken, man lobt immer mehr in sie hinein wie in ein schön’res Leben. Wunderbar schöne Gedichte sind auch darin, ich möchte sie wohl Alle componieren. Sie sind ächt musikalisch.
Mein Hellsehen Gestern erhielt sich wacker den ganzen Tag. Noch am Abend hatte ich starke An- od. Einfälle.
Von der Concert-Probe sollte ich zu Frl. Leser, ich mußte aber erst nach Haus um mich zu vergewißern daß es wirklich Abend sei.
Apropos, Concertprobe! da wurde die 4te Sinfonie Ihres Mannes gemacht, |4| nicht schön, die Euryanthen-Ouverture noch viel schlechter. Cavatine a. Euryanthe dito. mehr habe ich nicht angehört.
Die Fantasie von Beethoven mit Chor wollte ich eigentlich hören, aber ich war schon zu sehr herunter.
Frl. Leser hat sich bemüht b. d. Sinfonie begeistert zu werden, es wollte aber nicht gehen, ich hab’s weiter gar nicht versucht.
Mein Notturno bekomme ich wohl immer noch nicht? Wenn Sie aber hier bleiben, werde ich’s doch nicht lassen können, Sie bisweilen zum Schreiben zu quälen.
Nun, ich will schließen, ich kann Ihnen doch nicht eine Idee von dem schreiben, was ich Ihnen sagen u. thun könnte. Sehen Sie doch meine Briefe als die allerkleinsten Liebkosungen meiner Seele an. Ich liebe Sie zu viel um es Ihnen schreiben zu können.
Tausend herzlichste Grüße von Ihrem
Johannes.
Bertha grüßt u. die Kinder sind artig u. gesund.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
322ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,34
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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