23.01.2024

Briefe



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ID: 22476
Geschrieben am: Mittwoch 14.03.1855
 

Mittwoch Morgens
Eben wollt ich Ihnen schreiben, theuerste Frau Clara, da kommt mir der schöne Brief den ich hier beilege. Nun brauchte ich wohl kaum mehr als meine Grüße beizulegen um Sie recht froh zu machen.
Ich hatte eigentlich nicht darauf gehofft, ich traute dem „Morgen“ nicht recht; desto freudiger war ich überrascht. Finden Sie nicht daß die drei letzten Briefe des Theuren merkwürdig viel muntrer lebenskräftiger ja – muthwillig fast? Der Schluß meines Briefes erfreut Sie auch wohl? Sie müßten Sich eigentlich nur |2| nur darüber freun, genug sehnten Sie Sich, Er möge so schreiben!
Ich schicke Ihrem lieben Robert Heute Notenpapier u. Paganini, e. 2 händ. Clavierauszug der Rhein-Ouv. fand ich nicht. Nicht widerstehen kann ich, die Fis moll Sonate beizulegen.
Ich schreibe Ihm natürlich, Sie hättens mir v. Berlin aus aufgetragen, wir müssen doch Alles sehr vermeiden was Ihn krank heißt, so das Erbrechen der Briefe.
Es war auch recht unverschämt vom Kreisler.
Recht wehmüthig ists mir Ihnen Heute zu schreiben, so weit hin!
Wenn ich nicht hoffte, es seien die letzten Tage, dann könnte ich Ihnen nicht schreiben, es wird mir mit jedem Male schwerer. Wüßt ich doch, ob Sie denn nun auch Sonntag kommen!
|3| Letzten Sonntag war ich mit der Bertha u. M. u. El. nach Grafenberg von Mittag bis Abend gegen 8 Uhr. Wir waren überaus lebendig, jagten in einem fort u. strichen durch die dicksten Gebüsche. Die Andern klagten über Kälte, mir war’s so heiß, daß ich immer ohne Hut gehen mußte u. mich oft ins Gras warf u. nicht wieder aufstehen wollte. Es war prächtiges Wetter, die Sonne schien so warm u. ging so herrlich unter. Ich dachte immer u. immer an Sie.
Mit Frl. Agnes fing ich Montag General-Baß an! Ich möchte hoffen, das rege sie mehr auf, daß sie lebendiger würde, es wäre Schade um ihr schönes Talent, wenn sie so fort vegetirte; ich denke, das Talent kann doch nicht blos das äffische der Nach-┌ahmung┐|4| sein u. sich nicht blos aufs Spiel beschränken. Obgleich man eben für mehr keine Beweise hat u. sich immer darauf gefaßt machen muß.
Noch eins! Haben Sie wohl gedacht ob Sie Ihrem Mann schreiben wollen, daß Sie Ihm das Schreiben an Verleger abnehmen wollten. Er möge nur die Werke durchsehen u. in Ordnung bringen. <Vielleicht> Es ist doch Manches was mich das wünschen läßt.
Ihr Mann könnte doch einmal übereilt etwas schreiben daß Sie nicht gut schicken könnten, Bedenken od. Abschlagen der Verleger könnte Ihn auch aufregen etc. etc. Sie müßten vielleicht anfügen, wenn Er etwas vergessen, es ist doch nicht gut, Jeden so offen seinen Zustand sehen zu lassen. Wollen Sie Sich das nicht überlegen.
Wenn Sie wieder kommen, will ich Ihnen des Abends statt vorzulesen, Ihnen bisweilen von dem Hause in Hamb. erzählen, an das ich Sie einst führte. Wenn der Frühling wie jetzt, muß ich so viel an jene Frühlingszeit denken. Ich möchte meiner theuersten Freundin von der schönen Zeit Manches erzählen.
Sie bleiben gewiß länger, weil Sie noch nicht geschrieben haben, daß Sie gleich von Stralsund kommen! Sobald Sie es aber bestimmen können schreiben Sie es gewiß Ihrem Johannes. <der sich gewaltig sehnt>.
N. S. Wollen Sie meinen Brief vom theuren Meister an Joachim senden u. ihn bitten ihn wieder hierher zu schicken? <>

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
328ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,37
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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