23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22534
Geschrieben am: Montag 26.03.1855
 

März 1855.
Ihre 2te Sonate, Lieber, hat mich Ihnen wieder viel näher gebracht. Sie war mir ganz fremd; ich lebe in Ihrer Musik, daß ich sie vom Blatte halbweg gleich, einen Satz nach dem anderen, spielen kann. Dann bring’ ich Dankopfer. Gleich der Anfang, das , der ganze Satz – so gab es noch nie einen. Andante und diese Variationen und dieses Scherzo darauf, ganz anders als in den andern, und das Finale, das Sostenuto, die Musik zum Anfang des 2ten Theils, das animato und das Schluß – ohne Weiteres einen Lorbeerkranz dem anderswo herkommenden Johannes. Und die Lieder, gleich das 1ste; das 2te schien ich zu kennen; aber das 3te – das hat (zum Anfang) eine Melodie, wo gute Mädchen schwärmen und der herrliche Schluß. Der 4te ganz originell. Im 5ten Musik so schön – wie das |2| Gedicht. Das 6te wie von den anderen ganz verschieden; Die Melodie-Harmonie auf Rauschen, Wipfeln Das gefällt mir.
Nun haben Sie Dank für die Besorgungen für die Capricci von Paganini und das Notenpapier. Einige (fünf) harmonisirt ich schon. Es scheint aber die Arbeit schwerer, als meine freie Bearbeitung von früher. Der Grund ist, in der Violine liegt so oft der Baß nach seiner Weise. Jedenfalls würden meine älteren Pianofortearrangements mir die jetzige Arbeit sehr erleichtern.
Kennen Sie, lieber Johannes, die Variationen für Pianoforte und Viola von Joachim genau? Haben Sie sie vielleicht gehört – von Clara und Joachim? Das ist ein Werk, das neben seinen Ouvertüren, seinen Phantasiestücken für Violine und Pianoforte noch über die emporragt, durch die phantasierend-abwechselndsten |3| Regionen sich fortschwingt. Der Viola, auch dem Pianoforte sind Geheimnisse abgelauscht. Gleich die 1ste Variation möchte ich von Joachim hören – welche Melodie! Wie anders die 2te Die Viole in tieferen Chorden. Die 4te wie ein Traum. In der 5ten der Gegensatz – sehr ernst (zum Schluß trefflicher Orgelpunct). Merkwürdig die 6te durch das Thema im Baß; die anderen Stimmen spielen darum mit dem Anfang desselben Thema. Die 9te, die 10te (Zigeuner- und Ungar-Charakter so nationell nur möglich sein kann) und die Schlußvariation vollenden das Werk zu einem der größten meisterhaften.
In den Signalen hab’ ich gelesen, daß die städtische Verwaltung in Düsseldorf eine Concurrenz ausschreiben nach einem neuen Musikdirector gestellt. Wer könnte der sein? Sie nicht? Vielleicht hätte Verhulst Lust, wenn der Antrag ihm gestellt würde; das sollte man thun.
|4| Noch eine Bitte nach den Gedichten von Elisabeth Kulmann und nach einem Atlas; wenn ich nicht irre, hat Hr. Schuberth von Hamburg vielleicht vor zwei Jahren zwei Atlas noch mit sehr vielen anderen Büchern als Geschenk zugesandt.
Lieber und verehrter Freund, Sie schreiben im letzten Brief: „Sie wißen wohl ein Dichter bietet nicht gern zu kargem Tisch“ wie meinst Du denn Das?
Auf baldiges Wiedersehen
Robert Schumann.

  Absender: Schumann, Robert (1455)
  Absendeort: Endenich
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
  Empfangsort: Düsseldorf
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
343ff.

  Standort/Quelle:*) A-Wgm: Nachlass Brahms, Briefe Robert Schumann an Johannes Brahms 308,4
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

Fehlerbeschreibung*





Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.