23.01.2024

Briefe



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ID: 22561
Geschrieben am: Montag 20.08.1855
 

Montag d. 20ten Aug.
Liebe Clara,
Was habe ich Heute Morgen für einen schönen, langen Brief bekommen! Tausend Dank dafür. Auch über die reizenden Blumen habe ich große Freude, die aus Hbg. sind übrigens eben so schön, habe ich das nicht geschrieben?
Ihr Brief traf mich noch im Bett (7 1/2 Uhr) daran sehen Sie denn schon daß ich nicht Früh aufstehe, eigentlich recht spät: Abends kann ich nie zu Bett finden, trotzdem ich doch den |2| festen Vorsatz habe, regelmäßiger zu schlafen. Ich komme erst nach dem Abendessen, daß [sic] ich mit J. u. bisweilen Allgeyer draußen genieße ungefähr um 10 Uhr nach Hause. Da lese ich denn u. Ihr Bild steht vor mir u. ich freue mich daß ich allein bin, sehe wechselweise Sie lange an u. spreche mit Ihnen od. lese. Da vergeht die Zeit rasch, auch spiele ich dazwischen mit dem Glockenzug, der zu meiner Wonne am Griff ist.
Wie ich sonst lebe ist schwer zu |3| erzählen, da es zu unregelmäßig ist. Ich spiele, lese, schreibe oder spreche zu Ihnen in Ihrem od. meinem Zimmer. Dann kommen die Stunden dann Joachim od. Allgeyer dazwischen. Heute Morgen fängt Frl. v. Meysenbug Theorie an.
Da ich mich ausgeschrieben habe, ja da ich wohl schon veraltet bin, so gehts nicht mit dem Componiren, aber ich habe doch was zum Geburtstag od. zur Wiederkehr Ihnen geschrieben. Sie können einstweilen rathen. Nach dem Stockkämmchen u. auf die andre Seite gehen wir täglich; |4| Gestern (wir Drei) kauften wir auf dem Weg zum Stockk. <E> uns viel Pflaumen u. Birnen, dann aßen wir dort Dickmilch u. rauchten. J. die ganze Cigarre, da wurde ihm sehr schlimm, sehr!
Hernach mußte noch Bouillon getrunken werden.
NB: In Bach’s Allemande in B. finde ich das as gebunden richtig:
[Notenbeispiel]
das as im Bass richtig: [Notenbeispiel]
weil’s weiter tonweise in der Stimme geht as, b, c, d,
das es auch
[Notenbeispiel]
weil [Notenzeichen] e unmöglich wäre.
Das erstgenannte as finde ich besonders schön.
|5| Mit den Verzierungen nehme ich’s sehr genau. Die liederlichen Ausgaben jedoch zwingen oft dem eigenen Geschmack zu folgen.
[Note] nehme ich [Notenbeispiel]
<Bei> längere<n> Mordenten [(doppelte Trillerlinie)]betrachte ich oft als getrillerte Noten, ich nehme die kleinen Noten nicht vor der Hauptnote wie ichs bei den einfachen [(Trillerzeichen u.
durchgestr. Trillerzeichen)]thue.
Ueberhaupt mache ich bei Bach<s> Mordente u. Triller u. Läuferchen nicht als Verzierungen, nicht leggiero (oder nur wo es besonders paßt) sondern meine man solle die verzierte Note damit mehr heben wie es bei den alten schwachen Clavieren wohl nöthig war.
|6| Gestern habe ich nach dem Schreiben noch meine C dur Sonate spielen müssen, wie lange habe ich’s nicht!
Es machte mir rechte Freude, das Finale wußte ich nicht.
Nun will ich alles Gewünschte suchen u. einpacken u. Ihnen Heute Nachmittag schicken, meine wärmsten Grüße gehen mit.
Wie habe ich mich über den heutigen Brief gefreut, er erzählt mir so viel u. so schön wie Sie leben. Die Kinder sind sehr wohl u. artig. Bertha hat Ihnen Gestern geschrieben. Alle grüßen, ich zumeist als Ihr
treuester
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Düsternbrook
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
390-393

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,59
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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