23.01.2024

Briefe



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ID: 22578
Geschrieben am: Mittwoch 21.11.1855
 

Mittwoch früh.
Meine liebe Clara,
Nun will ich Ihnen länger u. ausführlicher schreiben als Gestern wo ich’s im Beisein eines Andern nur eilig konnte.
Es ging Alles gut Gestern, ich meine natürlich nur in so fern als ich mir jetzt doch bedeutende Hoffnung machen kann, einmal wirklich gut u. sicher vorspielen zu können.
Ich schrieb Ihnen Gestern nicht daß ich bedeutend unwohl sei, eine |2| starke Erkältung machte, daß ich nur mit größter Kraft meine Gedanken concentriren konnte, so eingenommen war mein Kopf.
Nicht von der Reise! Des Morgens in Bremen wachte ich mit dem furchtbarsten Kopfweh auf, man hatte eingeheizt u. das Zimmer war ganz dunkel vor Rauch. Jetzt mußten Fenster u. Thür geöffnet werden u. ich darin liegen, hernach wars kalt etc.
Das Concert ging doch wohl recht gut, ich hatte viel Beifall nach dem ersten u. letzten Satz. Die Begleitung war auch viel besser, als Morgens.
|3| Ich spielte ganz ruhig u. hörte jeden Ton vom Orchester, wir waren <f>doch immer genau zusammen. Ich finde es gar nicht so schwer, mit Orchester zu spielen aber eine wahre Wonne ist’s.
Nach der Fantasie (wo mir jedoch der erste Laufer im Baß gänzlich mißlang!) wurde ich bedeutend herausgerufen. Durch aus sollte ich noch spielen, konnte mich aber nicht entschließen. Die Sängerin machte es nachdem besser. Nach einem langweiligen Lied von Grell rührten sich wenige Hände u. sie sang’s freundlich noch einmal.
Eine Sinfonie von Haydn fing an, die <sehr> ┌recht┐ hübsch ging u. prächtig frisch ist.
|4| Dann wurde auch die Genoveva-Ouv gemacht worüber ich großes Entzücken hatte, sie ging viel besser, recht gut. Die Euryanthe Ouv. schloß sehr schwungvoll, doch war das Adagio viel zu schnell u. plump.
Dann sang die Büry, recht mittelmäßig, häßlich ist sie! Sie soll oder will mit Joachim in Hannover eine Arie von Mozart mit Violine singen.
Nun hoffe ich wirklich fest, daß ich in Hbg. das Concert gut spielen werde. Jedes Mißlingen u. jedes mittelmäßige Spiel, wie hier, betrachte ich ruhig als eine Probe u. gehe unbekümmert weiter.
Es muß gut werden.
Kaum ist Mertel weg, da kommt Zahn, ich will schließen u. grüße u. küsse Sie noch tausendmal;
Ihr
Johannes.
Viele Grüße an Joachim, Bargiel etc. u. das kleine Julchen, daß [sic] mir noch so schlaftrunken Adieu sagte.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Bremen
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
424ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,69
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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