23.01.2024

Briefe



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ID: 22587
Geschrieben am: Dienstag 11.12.1855 bis: 12.12.1855
 

Dienstag Nachmittag d. 11ten Dec
So bin ich denn fertig mit Allem u. reise Morgen um 12 Uhr von hier. Die freie Stunde will ich noch<> benutzen meiner geliebtesten Clara einen Gruß zu schreiben; wüßt’ ich nur wohin ich ihn senden kann!
Den Morgen habe ich nach Detmold auch wegen Concert geschrieben u. an Joachim daß ich komme.
Gestern dachte ich viel an Sie u. herzlich, wie sind Sie wohl hingekommen? Sie schrieben mir |2| nicht wie lange Sie dort bleiben, vielleicht kommt Morgen Früh noch ein Brief.
Schreiben Sie mir bald auf diesen Brief, so bitte ich durch J. J. Ich denke 1, 2 Tage in H. zu bleiben.
Dann post restante nach Detmold, darauf warte ich aber u. freue mich. Bei Otten u. Avé war ich Gestern noch, auch Heute wohl noch. Otten war den Abend bei uns zum Eierpunsch. Welch kräftiger, durch u. durch gesunder Mann ist das wie herrlich freisinnig u. frei, könnte man nur von Manchem ganz absehen, Manches, vielleicht |3| meistens nur Äußerliches ertragen u. übersehen, wie würde ich ihn lieben. „Eben, weil <Otten> Gott nur das Innere sieht so trachte, daß auch wir etwas Erträgliches sehn!“
Wie noch unerträglicher aber wird es, wenn der Mensch, grade das Unerquickliche, Unnatürliche an sich, nöthig – oder mehr zu finden!
Bei Otten bedenkt man viel die Verhältnisse, ich glaube mit Recht auch den Mangel an Talent etc!
D. 12ten Morgens.
Ihr lieber Brief ist gekommen, später als gewöhnlich, ich zweifelte schon. Ich dachte an Sie den ganzen Tag mit Wehmuth, die Reise muß |4| schlimm gewesen sein.
Jetzt sind wir beim Packen, um 12 geht’s fort.
Gestern war ich noch bei Otten u. Avé (dessen Mantel ich diesmal mitnehmen muß.) Ich ging Gestern Abend mit wahrer Wonne im Schneegestöber nach Haus, als hätte ich den warmen Ofen um mich, so wenig fühlte ich die Kälte.
Herrlich freie Gesinnungen hat Otten, er ist der tüchtigste Mann hier.
Sie haben mir nichts vom Leipziger Concert geschrieben u. von der 106!
Wenn Sie mir gleich schreiben könnten, träfe mich ein Brief in Hann; dann bitte ich post rest. nach Detmold.
Wie gern bliebe ich hier, damit Sie mich von hier abholen könnten, es kann nicht sein. Tausend Grüße u. Küsse noch einmal von hier.
Herzlich Ihr Johannes.
Wie grüßen meine Eltern u. Geschwister Sie herzlich u. wie lieben die Sie!

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Rostock
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
447ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,78
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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