23.01.2024

Briefe



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ID: 22591
Geschrieben am: Montag 18.02.1856
 

Montag. D. 17ten Febr. 56.
O weh, liebe Clara, jetzt kommen vielleicht die üblen Folgen des Briefes in dem ich Sie bat mir nicht gleich nach Hannover zu schreiben. Ich warte schon, wie lange!
Ich hoffte, Sie würden das übersehen oder mir Wichtiges zu schreiben haben. Morgen nach Mittag gehen wir nach G. Hoffentlich kommt Mittags einer, sonst werde ich sehr ungeduldig in Göttingen. Wir denken übrigens allen Ernstes in 8 Tagen hier Concert zu geben u. mein Trio zu spielen.
Ich freue mich auf ein schönes Programm u. daß ich Geld verdiene; sehr freue ich mich darüber. Deshalb muß ich’s überhaupt aushalten, sonst könnt ich’s nicht, ich möchte fleißig sein.
Ich dachte heute Abend <Ihnen> recht in aller Ruhe <s> mit Ihnen noch lange zu plaudern. Um 10 sah ich an die Uhr u. wir wollten zu Bett gehen, da kommt Rubinstein plötzlich herein, von Braunschweig zurück, jetzt ist’s Mitternacht.
|2| Ich habe Gestern u. Heute Joachims herrliche Variationen mit ihm gespielt. Die haben mir wieder große Wonne gemacht, besonders die 1te u. die ungrischen.
Das verzeih ich den Leipzigern nicht, daß Sie so wenig Liebe u. Achtung ┌vor J.┐ haben, nicht einmal mit Ruhe etwas von ihm anzuhören. Wir kommen so gut zusammen aus, daß Sie Ihre Freude haben würden. Künstler müssen doch ein besonderes Naturel, eine besondere Reizbarkeit haben, daß grade gleichgesinnte so schwer zusammen halten. (Im Leben.) Der Glaube, die Meinungen, Alles ist wohl entschiedener bei ordentlichen Künstlern, das<ß> trennt <S>sie.
Ich habe die schönsten Vorsätze für meine Rückkehr, wie ich fleißig sein will. Wer ein Poet sein will muß auch der Poesie kommandiren, sagte Göthe glaube ich. Wie wenig kann ich das noch, sehe ich täglich. Ich geh noch <mal> so schüchtern u. zahm mit ihr um, als ob ich doch sehr zweifelte daß sie mich nähme. Ich will was Ordentliches lernen.
|3| Meine Schwester hat mir Heute einen Dankbrief für Sie geschickt, <S>sie schreibt eigentlich lange nicht so warm, als sie’s meint – Dasselbe!
Von m. Bruder liegt übrigens auch noch eine Dankadresse in meinem Schreibpult in Ddf! Alle müssen Ihnen immer Dank sagen!
Heute kaufte ich mir eine ┌kleine!┐ Pfeife, die J. u. ich den Abend anrauchten. Uns wurde beiden sehr schlimm! J. sonderlich.
J. habe ich außerordentlich beim Einstudiren der 9ten bewundert. Wenn er nur nicht manchmal zu geistreich für die Musiker spräche. Aber die Damen müssen natürlich entzückt sein, sind’s auch.
Ueberhaupt ist das ein ordentlicher Kerl, in J. steckt mehr als in allen jungen Componisten zusammen u. wie viel mehr!
Vor dem habe ich Respect. Viel kann ich daran denken was aus allen werden kann, wer weiß das. Man ist leicht wohl geneigt in den Himmel zu heben. Wie <hat> ┌wird┐ das Leben noch einwirken auf J. Wie Manches muß sich wohl ändern oder verlieren. Und J. ist für mich <nicht> der Mensch von dem man sagt: es muß alles gut u. tüchtig werden.
|4| Ich möchte Morgen ┌u. Ueberm.┐ schwer zum Schreiben kommen, ich will Ihnen Morgen deshalb noch diese Zeilen schicken, als Gruß. Möchte ich doch dafür einen Gruß bekommen!
Ich wünschte, Sie machten’s mit mir, wie ich mit den Kindern: ich bringe ihnen nichts mit! Erwarten Sie’s desto schlimmer oder desto besser da bekommen sie Lehrgeld u. erwarten’s nicht zum 2ten Mal. Finde ich übrigens noch die Schramme auf Genchens Stirn, so ist der Contract ungültig!
Ich wasche mit jetzt immer des Abends vor dem Schlafengehn. Das thut sehr wohl! Auch Ihr schönes Beispiel!
Wenn Sie Volkmann sehen dann schreiben Sie mir doch davon. Der hat doch viel Talent, kennen Sie sein B moll Trio u. A moll Quartett? Lassen Sie Sich das Trio von ihm vorspielen.
Nun gute Nacht liebe Clara schlafen Sie gut wie in Ddf. (Thun Sie das immer?) u. denken Sie an mich u. träumen Sie von einem herrlichen
Einem besseren als dieser: Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hannover
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Pest
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
465-468

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,83
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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