23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22610
Geschrieben am: Freitag 16.05.1856
 

D. 16ten Mai 56.
Geliebteste Clara,
Aber Heute kam ein schöner Brief, von so herrlicher Länge daß man ordentlich wie beisammen u. im schönsten Plaudern war.
<Heute>┌Morgen┐ verliert sich endlich die letzte äußere Spur des Festes: Hr. Böie. Er ist um 10 Uhr früh nach Elberfeld u. ich erwartete ihn eigentlich den Nachm. wo er nach Köln u. weiter abfahren wollte.
Er kommt aber wohl erst in einer St. (um 9 Uhr) od. Morgen früh. Ich freue mich auf die Ruhe die dann kommt. Böie ist übrigens ein zieml. langweiliger Mensch.
|2| Von Grimm hatte ich Heute ein wenig Brief daß er sehr vergnügt ist.
Ein Pfarrer in d. Schweiz hat mir Gedichte zugeschickt, geistliche mit einem freundl. Brief. Leider passen sie mir nicht zur Composition, sie sind zu modern. Ich hätte mich sonst sehr gefreut.
Stockhausen habe ich Gestern früh wieder bei Pl. gesehen. Er singt wunderschön Lieder, <u> die schönsten von Schubert u. -mann. Schade um das ewige Transponiren.
Ich ärgere mich daß Sie 6 lange Seiten zerrissen haben!
Meine Fuge will ich noch nicht wieder beilegen, ich übe sie jetzt grade, es geht mit der Orgel merkwürdig besser! Bis Sie wiederkommen |3| aber auch nicht eher werde ich’s für Sie weit genug gebracht haben. Ist Ihnen auch das Orgelspiel so schwer gefallen? Wohl nicht. Grimm habe ich nicht vorgespielt.
(Ich folge Ihrem Brief.)
Ueber den Shakespeare bin ich ganz glücklich. Ich freue mich, wenn Sie wiederkommen, müssen Sie es immer laut vorlesen u. ich höre Dir zu, allein macht’s mir jetzt nicht die rechte Freude ich weiß auch zu wenig <Englisch> mehr die Aussprache etc.
Mit dem Ries u. Wegeler hast Du wohl nicht ganz Recht. Ich erinnere nicht genug ums bestimmt sagen zu können. Aber was sollte aus aller geschichtlichen Forschung u. allem Biographieren werden wenn sie immer mit Rücksicht geschrieben würde. Eine Biographie wie Du sie etwa über Deinen Robert |4| schreiben würdest wäre gewiß sehr schön zu lesen aber wär sie auch gewiß von Werth für die Geschichte?
Die Ouv. zu König Stephan kenne ich wenig u. habe sie nie gehört. Aber sie eine Opuszahl über 100! Die wird sich schon gewaschen haben.
Beethovens Briefe an Ries wegen Missa <u.> ┌op.┐ 106 u. Geld sind wohl nicht so gefährlich zu nehmen. So nöthig hat er wohl nicht das Geld gehabt es war wohl Angst od. Sorge (unnöthige).
Bei Frl. Leser ist Alles besorgt.
Der Gradus ad Parnassum ist nicht mehr zu haben.
Nur kaufen Sie keine Händelsche Partitur. Im nächsten (Händels 100 †) beginnt eine Händel-Ausgabe grade wie die Bach! Härtel erzählte mir’s u. ich habe mich gleich abonnirt.
|5| Ich habe ja jedenfalls eher alle Jahr 5 rh übrig als jemals ein paar mal soviel. Sollten die Clavier Sachen sehr billig sein u Sie sie schon haben so wäre mir’s eine Freude denn wann <kommen> drängen sich durch all die Partituren durch. Aber wie wenig nöthig sind die dem, der Bach’s Suiten u. Fugen hat! Also kaufen Sie sie nicht wenn sie nicht sehr billig sind. Schreiben Sie mir den Preis.
Nur keine Klavierauszüge, die kann ich nicht leiden. Uebrigens ist 3–4 rh ein enormer Preis für solche Dinge. Man hat hier zu 1–2 rh. Auf das Glas freue ich mich sehr, das ist nöthig. Und an ein Geschenk für Ihren Mann will ich denken.
|6| Gestern war ich im Malkasten wo eine Posse nach Hans Sachs recht hübsch gegeben ward, mit reizenden Decorationen.
Durchgehends war jedoch leider Musik von Mozart u. auch Beethoven benutzt perorirend, was mich ermüdete u. oft ärgerte.
Böie kommt nicht mehr, es ist über 9. Ich sehne mich ordentlich daß diese letzte Idee des Festes erst ganz schwindet.
Da kommt er!
Und jetzt ist er wieder weg!
In einem Jagen herauf, Alles herunter geholt u. jetzt nach dem Kölner Bahnhof. Er will über Mainz, Weimar u. Jena nach Hbg.
|7| Von Hbg. hatte ich Brief daß Alles gut stände. Es ist noch kalt da, bei Ihnen ┌Ich will doch meine neuliche Ueberrumpelung nicht gleich wahrnehmen!┐ wohl noch mehr. Hier blühn die Kastanien wie im Sommer über[,] ist hier der Frühling eigentlich wohl fast vorbei?
Aber um eins will ich Dich noch bitten. Wirf nicht ein schönes Hutband od. dergl. weg sondern gieb mirs. Ich lege ┌es┐ gern ┌um┐ Deine Briefe od. sonst Liebes. Oder gebrauche es als Lesezeichen.
Lache mich nicht aus.
Tausend Grüße u. alles Liebe Dir.
Dein
Johannes.
Ein Brief von Bertha mit d. Maiblumen.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: London
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
487-491

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,87
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.