23.01.2024

Briefe



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ID: 22617
Geschrieben am: Samstag 30.05.1857
 

Sonnabend Abends
Meine liebe gute Clara,
Morgen früh geht’s fort, nach Detmold. Ich denke ich bleibe wohl bis Sonnabend da.
Man wird doch aufgehalten, die Proben etc!
Schreib mir nur dorthin, auch nach Diesem noch, laß mich Deine liebe Hand nicht entbehren! Montag den 8ten denke ich den Stein für unsern Geliebten zu setzen, in Deinem Namen will ich’s thun u. ganz an Dich denken wie an ihn.
Vielleicht finde ich dann auch in Bonn einen Brief post rest.? Dienstag früh denke ich aber weiter zu gehn.
|2| Der Stein glaube ich wird Dir gefallen. Er ist nicht groß u. sehr einfach. Aber alles sehr geschmackvoll u. z. B. der Lorbeerkranz oben sehr schön ausgehauen.
Die Schrift ist auch schön gothisch.
Ich habe schon Alles deshalb besorgt hier u. in Bonn so daß ich Montag nur hinzukommen brauche
Wenn Schrödter kann, kommt er auch.
Gestern kam mir ein lieber Brief von Dir, habe vielen Dank dafür.
Ich konnte wirklich während des Unwohlseins nicht schreiben, weil ich Fieber u. Mattigkeit hatte.
Bertha geht den 8ten Juni denn nach Elberfeld.
Ich dachte immer es wäre das einzig praktische wenn Du die ┌u. die Kinder┐◊1 mit an den Rhein |3| nähmest. Warum würde es mehr Geld kosten, wenn Deine Töchter als wenn meine Schwester käme?
Ich glaube wirklich, am Rhein wird man nicht recht ruhig leben können. Durch die Eisenbahn wird die Frequenz noch bedeutender geworden sein.
In Heidelberg, als einer größeren Stadt merkt man’s immer nicht so. Ich bleibe noch was dabei. Wenn wir doch nicht gut aufs Gradewohl nach Schwaben hinein können. Und die 14 Tage vom 8ten sind doch zu kurz als daß ich erst dort umherstreifen könnte.
Was Joachim Dir über mein Concert schreibt, ist ja sehr schön aber ich ziehe mit demselben Grund u. demselben Recht wie Du recht viel Procente von s. Lobe ab.
|4| Ich habe das Concert noch nicht bekommen.
Zum 8ten Juni werde ich Dir wieder nichts schicken, liebe Clara, ich thät es gern aber ich habe nichts. Ja, eine as moll Fuge die man im Briefe schicken kann u. die sich hernach wunderschön stolz entfalten kann, das wünschte ich mir wieder!
Baron Liliencron wird der sein der mit Stade eine Sammlung altdeutscher Lieder herausgegeben hat, an der ich aber nicht viel Genuß hatte, es sind keine schönen Melodien, keine rechten Volkslieder.
Sieh doch den Richard noch einmal! Laufe doch noch darum u. wenn Du ihn schon 10 mal gesehen hast! Du wirst Dich wundern über den verdoppelten Genuß.
Schrödter hat mir Heute ein prächtiges Andenken geschenkt. Es giebt eine Reisebeschreibung eines Handwerksburschen, <den>|5| Schelmufsky, die Arnim als Manuscript auffand u. herausgab. (der Verfasser ist nicht bekannt) Das ist eins der originellsten, drolligsten Werke die ich kenne.
Das hat er mir geschenkt (u. in würdigem Pergamentband) u. hat mir den Schelmufsky vorne hinein gezeichnet!
Diese Original-Ausgabe (Schelmenrode gedruckt in diesem Jahr) ist selten[;] es ist später in Leipzig gedruckt.
Ich aß diese ganze Zeit bei Fr. Leser sie lud mich so freundlich ein daß ich’s annehmen mußte.
Bei Platzhoff machte ich neulich eine schändliche Gesellschaft mit. Sie sangen lauter italienische Sachen. Es war aber nicht in England, ich spielte also nichts! u. ließ Lindhult zum Ueberdruß noch die cis moll Polonaise u. Fr. Agnes das Jagd u. Spinnlied spielen.
|6| Ich dachte denn auch an Dich u. daß Dir’s nicht so gut geht, im Gegentheil, sehr scheußlich bei solchen Gelegenheiten. Auch durfte ich mich beim Essen gehörig wieder restauriren, Ach ich dachte genug an Dich dabei!
Liebstes Kind schreib mir recht lieb, ich will auch immer lieber werden. Und schreibe mir daß Du mich lieb hast u. schreibe mirs auf 10 Seiten wenn Du kannst, desto mehr freue ich mich. Könnte ich’s thäte ich’s auch.
Nach Detmold kannst Du mir auf Dieses ja noch gut schreiben, Sonntag Abend mindestens bin ich hier Montag in Bonn, wo ich etwas von Dir vorfinde bin ich noch einmal so glücklich.
Lebe recht wohl, halte gut aus, es ist hoffentlich das letzte Mal, damit tröste Dich u. mit dem schönen Sommer den wir hoffentlich verleben.
In aller Liebe
Dein
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: London
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
521-526

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,96
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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