23.01.2024

Briefe



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ID: 22638
Geschrieben am: Dienstag 22.04.1873
 

London, den 22. April 1873.
Lieber Johannes,
wir haben nun doch das Requiem in Bonn durchgesetzt. Nun hatte aber Joachim am ersten Tage nur dieses angesetzt, womit ich aus verschiedenen Gründen nicht einverstanden war. Ich schlug hinterher die 2. Sinfonie vor und hoffe, es läßt sich dies arrangieren.
Deine Andeutungen wegen der Schumannstiftung haben mich recht unangenehm aufgeregt; es wäre mir lieber gewesen, Du hättest mir die Sache klar erzählt, als daß ich mich in den unerquicklichsten Mutmaßungen erschöpfte. Leider war, was ich tags nach Deinem Briefe erfuhr, bei weitem meine Erwartungen übertreffend.
Ich bin ganz außer mir über diese Abscheulichkeit mit der Annonce in der Grazer Zeitung. Ich, die ich mit der mir verliehenen Kraft mich und meine Kinder ehrenvoll durchgebracht, und noch in voller Tätigkeit und mit größtem Erfolg diesen ganzen Winter war, durch das Geschenk nun doch auch ruhiger der Zukunft entgegensehen darf, soll andere Künstler für mich Konzerte geben lassen, wozu dann eine solch lügenhafte Reklame gemacht wird, um noch etwas mehr Geld zusammenzubringen – das ist empörend. Ich weiß mir kaum zu helfen, so außer mir bin ich; ich schrieb gleich an Bendemann und bat diesen, in der Sache zu tun, was möglich. Ich muß gerechtfertigt werden, es muß, und zwar in den Wiener Hauptblättern und der Grazer Hauptzeitung gesagt werden, daß alles Lüge war, und daß ich von den Konzerten nichts gewußt und keine Einwilligung also dazu gegeben habe. Dann muß es gemacht werden, daß von den Einnahmen dort kein Groschen mir zufällt – es kann an eine milde Stiftung oder arme Musiker gegeben werden. Oder soll ich an Hanslick und Gehring schreiben? wie schrecklich sind mir solche Sachen. Ich meine, eigentlich müßten meine Wiener Freunde die Sache in die Hand nehmen, denn durch sie (so oder so, wer es nun auch sei) ist mir doch diese schreckliche Sache gekommen; sie sind meiner Ehre diese Rechtfertigung schuldig. . . . .
Ueber Bruch will ich Dir gern schreiben – ich hörte Einiges am Clavier, was mir sehr gefiel, d. h. immer ist es die Klangfärbung, die Characteristik, die mich interessirt, leider nicht die melodische Erfindung, auch nicht etwa überraschende Combinationen, interessante Durchführungen …
Leb’ wohl – mir liegt nichts im Sinne als die fatale Geschichte – schon zwei Nächte schlief ich gar nicht. Ach, warum mir solches nicht erspart blieb!
Wie immer Deine
Clara.
Burnands danken für das Bild! Ich wünschte, Du hättest ein anderes gehabt! Ich kenne bessere von Dir.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: London
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1227ff.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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