23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22639
Geschrieben am: Montag 09.11.1857
 

Montag früh.
Liebe Clara,
Du wirst jetzt auf der Reise nach München <sein>, vielleicht gar schon da sein, Du schickst dann vielleicht zur Post u. erwartest einen Gruß von mir? Hier, den herzlichsten, den besten sende ich Dir u. wünsche es möge Dir gut dort gehen u. die Zeit bald vergehn.
Versäume nur nicht dort, <>so bald wie möglich die Gallerien u. Museen zu besuchen, hast Du’s einmal gethan wirst Du wohl wieder Zeit suchen.
|2| Auch die Walhalla u. die Bavaria mußt Du am ersten Sonntag besuchen, Du kannst gewiß dazu Zeit finden, u. solltest es durchaus nicht versäumen.
Wäre<> hier eine Walhalla, das könnte ich <schätzen[?]> genießen, meine Ferien dauern noch immer fort.
Die Herrschaften werden doch nicht erwarten, ich werde diese versäumte am Schluß ansetzen? Das könnte ich nicht gut.
Ich übe auch das Mendelssohnsche G moll Concert, damit ich einmal recht liebenswürdig bin.
|3| Gestern habe ich den Kanzlei-Rath v. Rosen besucht, der hat mir denn viel von Deinem Mann erzählt u. dagegen viel über Euch Beide gefragt.
Das Nibelungenlied <ist> wird mir gar nicht schwer zu verstehen, es macht mir große Freude so oft ich dazu komme. Ich studiere etwas Latein, das heißt ich schreibe fürs Erste Deklinationen u. will hoffen daß ich beharrlich dabei bleibe.
Ich habe gar zu wenig Fleiß, darüber könnte ich oft betrübt werden, wenn <ich> mir hierzu nicht wieder jede Anlage fehlte.
|4| Die Reise nach München ist wohl lang? Ging sie einigermaßen vorüber? Wie machte sich Nettchen, die ist Dir doch angenehm?
Grüße sie von mir.
An Woldemar habe ich noch nicht geschrieben, ich denke ihm Einiges zu schicken, dann kann er ja auch seine Zähne wetzen u. beißen, denn etwas werde ich das thun, obgleich ich hinterher denn doch in gewisser Weise manchen Fortschritt in diesem Trio sah, aber ich habe eine wahre Angst vor Allem was nach Liszt riecht.
Lebe wohl liebste Clara, das nächste Mal oder das 4te Mal kann ich wohl an ein Hotel addressiren?
Herzlichst
Dein Johannes.
|5| Später.
Ich hatte den Brief noch nicht eingepackt u. hoffte das Beste, da, richtig kam ein Brief u. was für Einer!
Habe vielen Dank für den langen lieben Brief, ich kann nur nichts Dir wieder schicken dafür!
Böse bin ich übrigens nie wenn Du nicht schreibst, ich kann ja nicht einmal auf mich böse werden wie auf der vor. Seite steht, viel weniger auf Andre.
Ich wünsche mir nur oft einen Brief u. stichle dann, das ist Dir auch erlaubt, Du darfst aber es auch nicht schlimmer nehmen wie ich.
|6| Die 8 Ldrs kommen mir verdächtig vor, warum hast Du mir nicht die Quittung <gesch> zur Ansicht geschickt? Ich werde für 2 Ldrs Dir Bonbons oder so was kaufen.
Die Krankheit der Prinzeß thut mir kein Schaden, sie hat neulich die versäumte Stunde mit bezahlt.
Was Du mir schreibst, von Joachim, Schneider, Lind bis zu Liszt hinab heute, interressirt mich Alles sehr.
Ja, das Alexanderfest soll sich Woldemar anhören, können wir uns Alle anhören damit wir die Gewalt der Musik merken, die wir |7| den Leuten nicht mehr zeigen können.
Sitze ja keine Nachtstunde auf um mir zu schreiben, ich habe gern lange Briefe von Dir, also lasse sie so lange liegen, bis sie lang werden.
Daß Dir Leipzig einmal zuwider wird! Ich habe es immer so da gefunden wie Du jetzt ungefähr beschreibst, nur schlimmer denn, z. B. auf David’s Feuer gebe ich keinen Pfennig u. die, doch immer sehr arrogante Musik-Keuschheit der Frege entzückt mich auch nicht.
|8| Ich dachte dieser Tage über meinen ersten Concert-Satz nach.
Du glaubst nicht, was mir der für Kummer. Es ist eben durch u. durch verpfuscht, das ist der Stempel des Dilettantismus, wer kommt jetzt endlich darüber hinaus.
Ich reiß ihn jetzt ordentlich herum u. was nicht will das laße ich, aber es soll endlich zu Ende sein. Sonst bummle ich viel u. spiele Einiges u. bin traurig, daß Gott mir keinen ernstern u. traurigern Sinn gegeben hat damit ich Componiste werden könnte.
Herzlich umarme ich Dich!
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Detmold
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
538-542

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,98 und 7,97d
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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